Nein, wir schreiben nicht den 1.April. Nein, es handelt sich bei diesem Projekt auch nicht um einen Ulk, wahrscheinlich noch nicht einmal um einen Akt echten Grössenwahns. Auch ob das Ganze ein Kunstprojekt oder nur eine clevere Geschäftsidee ist, war bisher nicht zweifelsfrei herauszubekommen. Sicher ist nur, dass lupenreine Demokraten am Werk sind, auch wenn man bei der Beschäftigung mit der Idee die Vermutung nicht los wird, wie eine Kommentatorin schrieb, „ dass ich einen Clown gefrühstückt habe.“
Es geht um das ultimative Grab, besser um eine Pyramide von 220 x 220 Grundfläche und einer finalen Höhe von 570 Metern. Sie soll eine Massengrabstätte für ca. 5 Millionen zahlende Interessenten sein und aus Millionen von bunten Betonquadern aufgeschichtet werden, in denen die Asche der Toten, festgebacken für die Ewigkeit, ruht. Wer sich nicht so innovativ in der Pyramide bestatten lassen will, der kann auch einen preiswerteren Erinnerungsstein mit den Daten eines Lieben oder Freundes aufstellen lassen.
Der Ort für die grandiose Umsetzung dieser Idee: ein waldiges Grundstück in einem kleinen Dorf namens Streetz nahe bei Dessau. Die Gemeinde hat schon dankend abgelehnt, weil sie „den Schatten“ dieser Pyramide nicht auf sich ruhen lassen will. Dabei könnte man die Pyramide wie die chinesische Mauer aus dem All sehen.
Aber die Initiatoren – der wenig bekannte Schriftsteller Ingo Niermann und der ebenfalls unbekannte Wirtschaftswissenschaftlicher Jens Thiel- geben nicht auf. Sie werben mit der Idee nun weltweit und suchen ein adäquates Grundstück für ihre Version der Demokratisierung des Todes, wo Menschen jeder Herkunft, jeder Religion und jeder Hautfarbe friedlich mit- und übereinander ruhen sollen. Angebote sind willkommen.
Zu besichtigen für interessierte und ambitionierte Grabsucher sind die ersten architektonischen Entwürfe für die Pyramide auf der Ideenbörse Architekturbiennale von Venedig vom 12.9.-23.11. Unterstützt und finanziell auf den Weg gebracht wurde das Projekt dieses „Las Vegas des Todes“ mit 89.000 E von der Kulturstiftung des Bundes, einem bekanntlich aus Steuergeldern finanzierten Unternehmen in Berlin.
„Wir sind Pharao“, jubelten einige enthusiastische Berichterstatter analog zu „Wir sind Papst“ nach der Wahl Benedikts in Rom dieses Projekt auf der Webseite der Initiatoren hoch. Genau in dieser Assoziation mit den Pyramiden des alten Ägypten liegt die Faszination dieser Idee, die Mitte 2008 schon von 1000 Menschen weltweit namentlich unterstützt wurde. Im Alten Reich in Ägypten ließ sich der Pharao bekanntlich zu Lebzeiten sein späteres Grabmal in einer Größe errichten, die Selbstdarstellung und Machtanspruch miteinander verband und Menschen bis heute fasziniert. Mit „finalem Narzismus“ hatte das nichts zu tun, vielmehr aber mit der Göttlichkeit des Pharaos nach seinem Tode.
Warum sollen Karl Schmitz oder Lischen Müller in unserer Demokratie weniger grössenwahnsinnig sein als ein Pharao ca. 2500 v.C., mögen sich die PR Genies Niermann und Thiel gesagt haben, als sie mit der verwegenen Pyramidenidee herausrückten.
Sie ist Teil ihrer Zukunftsstrategie für Deutschland, „das seinen Weg in die neue globale Welt nur schwerfällig findet“, so schrieben sie in „Umbauland“ im Suhrkampverlag. Darin wird das Dessauer Grabwunder, das derzeit das höchste Gebäude der Welt nach dem Taipei Financial Center (509m) wäre, als konkurrenzfähig zu den neuen Bauten in Dubai genannt, zum Eurodisneypark bei Paris und zum Bilbao Museum von Frank Gehry eingeschätzt. Ein deutsches Highlight also. Es müsste nur schneller gestorben werden, denn natürlich interessiert das endgültige Millionengrab in voller Höhe, nicht aber sein allmähliches Entstehen. Denn räumliche Vorratshaltung soll nicht betrieben werden, vielmehr soll die Pyramide mit jedem Quadratstein, der 200 -1300 E kostet, nur langsam wachsen. Im unwahrscheinlichen Falle eines Scheiterns des Projektes würde man über einen peinlichen Hügel mit ein paar Stolpersteinen nicht hinausgekommen sein.
Um die Pyramide auf alle Fälle erfolgreich zu realisieren, haben die mutigen Ideengeber ihr Vorhaben auf einer Pressekonferenz am 11.Mai 2007 mit einer Entwicklungs- und Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für den Dessauer Raum vorgestellt. Die Umgebung der Pyramide ist als Park der Menschheit vorgesehen, wo Empfänge und Parties stattfinden können. Ferner will man in nächster Nähe Altersheime, Krankenhäuser, Kirchen, Hotels, Blumengeschäfte und natürlich Krematorien ansiedeln, alles Notwendige vor Ort sozusagen. Die Folge solch zusätzlicher Infrastruktur könnte eine Senkung der gut 20 % Arbeitslosigkeit in der Region sein. Was Bauhaus und Wörlitz bisher nicht geschafft haben, die Pyramide soll es möglich machen. So die Machbarkeitsstudie. „Pyramide trifft Macht“, formulierte ein Journalist treffend das Vorhaben der 38 und 39 Jahre alten Pyramidenerfinder, die mit ihrer Idee einen regelrechten „Medientsunami“ auslösten. Er vergaß zu erwähnen, dass unsere Gesellschaft solche Vordenker braucht.
Wenn man keinen finanzkräftigen Geheimbund, der das Projekt unterstützt, hinter sich weiß, muß ein Stararchitekt her. Die Geheimwaffe hieß Rem Koolhaas, für viele der größte Denker und Prophet der heutigen Architektenszene. Zwar stammt von ihm der verräterische Satz, „dass es seit 3000 Jahren mit den Architekten bergab geht“ (FAZ) , aber Rem – gottähnlich – stemmt jede Gegenentwicklung. Also wurde er Vorsitzender einer Jury, in der auch der Direktor des Bauhauses, Omar Akbar, nach dem Motto mitmischte, was ein Star gutfindet, das unterstütze er schon lange.
Vier Architekturbüros wurden gefunden, u.a. der Konzeptkünstler Ai Wei aus Peking, bekannt geworden im Vorfeld der Olympischen Spiele durch seine Systemkritik an China. Aus Deutschland nahmen die „Gedenkstättenexperten“ Nikolaus Hirsch und Wolfgang Lorch teil, von denen die Synagogen in Dresden und München stammen. Sie waren die einzigen, die die Pyramidenidee nicht poetisch oder destruktiv angingen, sondern gewissenhaft konstruktiv. Um möglichst schnell ein grosses Volumen zu erreichen, schlugen sie ein Tragwerk mit Lücken und Löchern vor, in das die Grabsteine an beliebiger Stelle hineingeschoben werden können. „Geriatrischer Raum“ nannten sie ihre Arbeit.
Aber es steht zu befürchten, dass Deutschland und die Region Dessau einmal wieder den Wert einer Jahrhundertidee nicht begreifen und damit „das weltweit offene Bieterverfahren“ einen anderen Standort findet. Eventuell in Miami. Zu recht fragt die „Bauwelt“ deshalb:“ Warum in aller Welt sollen strukturschwache Regionen in den USA von deutschem Gedankengut profitieren“?
2007