Porto ist spektakulär, ohne Großstadt zu sein. Die Stadt liegt an einem Fluß, dem Douro, gleichzeitig aber auch am Atlantik. Sie ist steil und für hohe Hacken nur begrenzt geeignet. Porto ist zweigeteilt; auf dem einen Ufer des Flusses liegt die Altstadt der von den Römern gegründeten Gemeinde "Porto Cale" = schöner Hafen genannt, auf der anderen Seite in Villa Nova de Gaia die Kellereien des Getränkes, dem die Stadt Porto ihren Namen gab.
Den Handel mit dem Portwein gibt es seit dem Mittelalter; aber erst als die Engländer den Port im 17. Jahrhundert als spätnachmittäglichen Drink und Aperitif entdeckten und bald für unentbehrlich erklärten, wurde die Stadt durch diesen lukrativen Export wirklich reich. Von den kleinen Handelsschiffen, die damals zu Hunderten die kostbare Fracht übers Meer schafften, sind heute nur noch museale Reststücke vorhanden, die Touristen hin - und her fahren.
Wie dies auch anderswo behauptet wird, sagt man, daß in Porto gearbeitet und in der Hauptstadt Lissabon, der großen Konkurrentin und dem Sitz des Königs, das Geld ausgegeben wurde. Die Handelsmetropole durchwehte immer der Geist eines linken Bürgertums. Gegenüber dem König, dem Klerus und dem Adel blieb man über Jahrhunderte äusserst reserviert und misstrauisch und sah sie nur ungern in der Stadt zu Besuch. Am wohlsten fühlte man sich, wenn sie wieder abgereist waren.
Die Altstadt Portos wurde als Weltkulturerbe von der Unesco 1996 unter Denkmalschutz gestellt. Dennoch verfällt die Stadt zunehmend, auch wenn die engen Straßen und Gassen mit den hohen, schmalbrüstigen Häusern noch einen dekadenten Charme zeigen. Die letzte Phase des Reichtums der Stadt lag im Jugendstil um 1900, dessen geschwungene Formen und üppige Ornamente, wenn auch schäbig geworden, durch alles Heruntergekommensein durchschimmern.
Die meisten Häuser der Altstadt stehen bis auf die Erdgeschosse leer, die Fenster darüber sind verbarrikadiert. Balkone sind baufällig und nicht mehr zu betreten, trostloses Wellblech en masse soll marode Dächer und Brandwände schützen, ist aber in den letzten Jahrzehnten selbst mit gealtert und klappert im Wind. Man wagt, sich den Zerfallszustand im Inneren der Häuser gar nicht vorzustellen.
Wer in dieser Altstadt jedoch eine Wohnung kaufen willl, sieht sich unverständlicherweise mit so hohen Preisen konfrontiert, daß er jede Absicht schnell fallen läßt, nicht zuletzt deswegen, weil es ein Wohnen ohne Nachbarn wäre, weil es für ein Auto weder Stellplätze und Garagen gibt und die Umgebung ab dem späteren Abend alles andere als sicher ist.
Die äusserst seltenen Umbauten bzw. Renovierungen machen jedoch das Potential der Architektur deutlich. Portos Altstadt könnte, wieder hergestellt und modernisiert, eine der anmutigsten Europas werden. Wird jedoch nichts investiert, ist ihr Ende absehbar.
Welche Qualität und Anziehungskraft Portos Jugenstilarchitektur hat, machen drei schöne und gepflegte Bauten deutlich: die vielleicht schönste Buchhandlung der Welt mit einer wunderbar geschwungenen Treppe ins 1.Geschoß, 1906 gebaut, das spiegelverzierte Café Majestic (1921), das in den 90igern aufwendig restauriert wurde und seither Horden von Touristen anzieht, und das kleine, elegante Grande Hotel des Porto, in dessen intimer englischer Bar man die offensichtliche heutige Armut des Zentrums von Porto schnell vergißt.
Am Beispiel Portos kann der Tourist, wenn er einige Tage in der Stadt verbringt und nicht nur dem äusserst preiswerten Shopping in der Stadt erliegt oder am Fluß sitzt und sich an den unterschiedlichen Portweinen versucht, das Thema Stadtentwicklung per excellence studieren: z.B. was die Verlegung des Hafens aus der Mitte einer Stadt an den Rand bedeutet oder was dabei herauskommt, wenn im Stadtzentrum nicht mehr gewohnt wird.
Porto ist reich an historischen Bauten, aber Denkmäler von aussergewöhnlicher Qualität sind nicht darunter. Die stehen woanders. Die Kathedrale (12.Jahrh.), die auf dem schon von Römern besiedelten, 8o m hohen Granithügel Pena Ventosa mitten in der Stadt liegt, ist ein wuchtiger Bau, der von aussen an eine düstere Trutzburg gemahnt und innen streng-düster und ziemlich beengt erscheint. Der klassizistische Börsenpalast (ca.1840) erscheint selbstbewusst, ist aber nichts Besonderes und in seinem Inneren interessanter als von aussen. Der frühere Kreuzgang eines hier gelegenen Franziskanerklosters bildet, überspannt von einer Kuppel des 19. Jahrhunderts aus Glas und Eisen, seine repräsentative Mitte und wird ergänzt von einem maurischen Prunksaal im arabischen Zuckerbäckerstil. Die Markthalle Mercado Ferreira Borges, eine Eisen-Glas-Konstruktion des 19.Jahrhunderts, steht zwar recht eindrucksvoll an der Rua Monsinho da Silveira, aber einen Markt bzw. eine Marktatmosphäre hat es hier nie gegeben. Der Bau, der den Marktfrauen bessere Verkaufsbedingungen und hygienische Arbeitsmöglichkeiten bieten sollte, war von Anfang an eine Fehlinvestition und wurde nie bezogen, weil die Marktfrauen von ihrem seit dem Mittelalter angestammten Standort und Ambiente am Flussufer und Hafen nicht weichen wollten.
Die vielen Kirchen der Stadt sind keine eindrucksvollen Bauten, auch nicht die Igreja de Sao Francisco am nordwestlichen Rand der Ribeira, des Hafenviertels. Sie wird zwar als prunkvollste Barockkirche Portugals angesehen, aber nicht ihres ursprünglich gotischen Baus wegen, sondern auf Grund des üppigen goldenen Schnitzwerkes, das das Innere wie einen Dschungel überwuchert.
Immer wenn es der Stadt gut ging oder fromme Sponsoren auf einen sicheren Einzug in den Himmel hofften, wurde das Innere von Kirchen versilbert. Doch der trügerische Glanz konnte und kann nicht unbedingt die konstruktive Bescheidenheit der Kirchen verbergen.
Wirklich eindrucksvoll dagegen ist Portos Brückenlandschaft, die die tief im Flusstal gelegene Stadt in luftiger Höhe überquert. Der hohe Ponte Luis I spannt sich mit seiner kühnen Eisenkonstruktion dramatisch über den Douro; er wurde 1886 von Theophile Seyrig, einem Mitarbeiter Gustave Eiffels, errichtet und führt in zwei übereinander gelegenen Fahrbahnen in Schwindel erregender Höhe über den Fluß. Eine weitere, ähnlich rekordverdächtige Brücke, der Ponte D.Maria Pia, wurde 1876 von Eiffel selbst konstruiert und wird durch vier moderne Brücken zu einem der bemerkenswertesten Panoramen Europas ergänzt.
Porto ist insofern eine altmodische Stadt, als moderne Bausünden oder brutale Strassendurchbrüche kaum vorhanden sind. Der Dornröschenschlaf der letzten fünfzig Jahre hat die Altstadt vor planerischen und architektonischen Fehltritten bewahrt. Insofern erlebt man die Urbanität der Stadt mit den zahllosen Kneipen, Restaurants, Cafés und vor allem den unzähligen kleinen Läden wie ein nostalgisches Abenteuer. Städte wie Porto in ihrer Velfalt von noch persönlich geführten Geschäften sind in Europa selten geworden. Einkaufsmeilen wie die verkehrsberuhigte Rua da Santa Caterina für den gehobenen Bedarf gibt es auch im Rest von Europa, jedoch Viertel wie Portos Unterstadt Baixa mit ihrem Reichtum an Läden für die abwegigsten Gegenstände sind eigentlich von der Bildfläche fast völlig verschwunden. Man fühlt sich in seine Kindheit versetzt, als man auch bei uns noch überall von Scheren und Messern über Elektrosicherungen bis hin zu Rasierpinseln und altmodischem Handwerkszeug längst verschwundene Markenartikel erwerben konnte. Shoppen und Stöbern ist in Porto ein preiswertes und vielfältiges Vergnügen.
Die schönste Straße des alten Porto war und ist bis heute die 1521 errichtete Rua das Flores. Wohlhabende Bürger und Adlige wohnten in der relativ breiten Straße, in der entsprechend des Reichtums ihrer Bewohner und der hier in Mengen ansässigen Juweliere, Silber und Goldschmiede zwei Kutschen aneinander vorbei paßten. So mußte niemand einem anderen ausweichen oder ihm den Vortritt lassen, sondern man passierte einander gleichberechtigt.
Übrigens sind viele der Fassaden der alten Bauten Portos bis heute mit Kacheln verkleidet, den sogenannten Azulejos, einer aus Holland und von den Arabern übernommenen Kachelkunst. Sie schmückt im wahrsten Sinne des Wortes die häufig einfachen Häuserfronten und verwandelt manche Kirche im Innenraum in eine Art von lesbarem Bilderbuch. Denn im Gegensatz zu den abstrakten, geometrischen Kacheln arabischen Ursprungs bilden die portugiesischen Azulejos großformatige Gemälde. Im Bahnhof Sao Bento, der 1915 in ein seit 1892 leerstehendes Frauenkloster hinein gesprengt und -gebaut wurde, erzählen ca. 2o.ooo, zu großflächigen Bildern zusammen gefügte Kacheln aus dem religiösen Leben der Stadt und der dort wohnenden Menschen.
Befremdlicherweise gibt es für Touristen weder eine gute Karte von Porto noch einen Führer. Insofern sind auch die modernen, eher privaten als öffentlichen Bauten der Stadt, die zwei der bekanntesten Architekten Portugals hier errichtet haben, Alvaro Siza Vieira und Eduardo Souto de Moura, vielen Bewohnern sowohl er Stadt als auch ihren Besuchern weitgehend unbekannt. Ein winziger englischer Cityguide "Wallpaper" (2011, erschienen bei Phaidon) nimmt sich dieser modernen Attraktionen an, kann aber nirgendwo in Porto bestellt werden.
Der moderne Flughafen, der zweitgrößte des Landes nach Lissabon, schlägt an imponierender Gestalt und Funktionstüchtigkeit viele andere in Europa.Auch die in den letzten Jahren entstandene Metro ist, wenn sie auch nur wenige kurze Linien hat, großzügig und übersichtlich. Überschätzt dagegen scheint mir die Casa Musical, von Rem Kohlhaas die 2001 aus Anlaß der europäischen Kulturhauptstadt Porto hätte fertig werden sollen, aber - wen wunderts - erst 2005 eingeweiht wurde.
Sie gilt den Bewohnern Portos und den Besuchern der Stadt jedoch als Inbegriff von moderner Stararchitektur. Daß ein weltbekannter Architekt sie gebaut hat, bedeutet aber noch keineswegs, daß sie auch von herausragender Qualität ist. Der Bau ist auffällig, er wirkt monumental wie ein aus dem Weltall hier eingeschlagener Meteorit und nimmt keinerlei Rücksicht auf seine Umgebung.
Scharfkantig wie von Messern geschnitten liegt die casa auf einer großen, frei geräumten Fläche. Den Eingang muß man suchen. Doch das Haus verwirrt nicht nur von aussen, sondern auch von innen, wo es einem Labyrinth gleicht. Der grosse Saal für 1250 Menschen wird gerühmt, aber die Gestaltung ähnelt der einer hochtechnisierten Fabrik, wenig einladend und unterkühlt. Doch die täglichen Führungen sind überlaufen und die Interessenten gutgläubig, der Mythos des Stararchitekten wirkt.
Ein seltenes Juwel in der Nähe der Casa Musica ist die Kadoorie Mekor Haim Synagoge in der Rua de Gueira Junqueiro 340 aus dem Jahre 1938. Als in Deutschland die jüdischen Synagogen brannten, entstand hier im Geiste des Bauhauses ein schneeweißer, faszinierender Tempel, der relativ unbekannt ist.
Der Showcase moderner Architektur in Porto ist zweifellos das Museum moderner Kunst von Alvaro Siza. Inmitten des 16 ha großen Parque des Serralves, der eine exquisite Art Déco Villa des Textilfabrikanten Carlos Cabral um 193o beherbergt, hat Alvaro Siza einen weissen Bau errichtet,der sich fast unauffällig in die Natur des Parkes einpasst.
Die Wände und die fast zufällige Anordnung der einzelnen Baukörper schaffen einen geradezu abstrakten Raum, dessen riesige Fenster auf und in den Park jedoch jederzeit eine Orientierung möglich machen. Die Sammlung des Museums ist eher mittelmäßig, das Gehäuse aber großartig.