Im Skulpturenpark „Waldfrieden“

Tony Craggs Ausstellungsgelände in Wuppertal

Den ersten Künstlerpark hat Fürst Orsini um 155o in Bemarzo gegründet. Ungeheuer und phantastische, teilweise begehbare Skulpturen bevölkern bis heute das Gelände. Ähnlich ist es im 1996 eröffneten Tarotgarten von Niki St.Phalle in Capalbio bei Grosseto, den sie mit ihrem Lebensgefährten Jean Tinguely errichtete. Figuren, die eine gewisse Ähnlichkeit mit Disneykreationen haben, ziehen vor allem begeisterte Kinder mit ihren Eltern und weniger kunstinteressierte Menschen an. Die Hommage an den Parque Güell von Antonio Gaudi ist dabei augenfällig. Daniel Spoerri dagegen gründete seinen Skulpturengarten in Monte Amiata vor allem für ernsthafte Enthusiasten, die sich für seine Plastiken interessieren.

In Deutschland sind Skulpturengärten und -parks keineswegs so verbreitet, wie man erwarten würde. Der bekannteste ist zweifellos Hombroich bei Neuss, wo der ehemalige Immobilienfachmann Karl-Heinz Müller 1996 auf einer Insel ein Kunstareal eröffnete, das eine gelungene Mischung aus Architektur, Kunst und Natur darstellt. Der Skulpturenpark Köln in der Nähe der Zoobrücke wurde 2008 gegründet und wechselt alle zwei Jahre seinen gesamten Plastikenbestand aus.

Naturgemäß ist jeder Skulpturenpark anders. Einer, der vor allem neugierige Kunstliebhaber anzieht, ist „Waldfrieden“, ein 14 ha grosses Gelände mitten in Wuppertal mit einem wunderbaren Bestand an alten Laubbäumen. Tony Cragg, der britische Bildhauer, erwarb es 2oo6 zusammen mit darauf befindlichen Bauten und renovierte Wald und Häuser vorbildlich. 2oo8 wurde der Park eröffnet. In der steilen Hügellandschaft des Geländes sind vor allem Craggs eigene Werke zu sehen, die auf einem nicht vorgeschriebenen Spaziergang besichtigt werden können.

Am schönsten ist der Skulpturenpark im Herbst, wenn sich das dichte Blätterdach über ihm bunt färbt, oder im Winter, wenn der graue Himmel über dem Park sichtbar wird und eventuell Schnee liegt. Im Sommer dringt das Sonnenlicht nur als helle Flecken in den Wald hinein. Wenn es regnet, erinnert der Park an einen alten, melancholischen Friedhof. Der untere Teil des Parks ist öffentlich , ein serpentinenförmiger Aufstieg, den erste Craggskulpturen begleiten, erinnert an Initiationswege von Klöstern und Eremitagen.
Tony Cragg erwarb auf dem Waldgelände auch ein organisch gebautes Haus, das 1947 auf den Kellerresten einer im 2.Weltkrieg zerstörten Industriellenvilla errichtet worden war. Mit dem zunächst als „Wiederaufbau“ getarnten Neubau - ein luxuriöses neues Haus war in der unmittelbaren Nachkriegszeit schwierig durchzusetzen - beauftragte der damalige Besitzer den Künstler und Architekten Franz Krause, der aus der Stuttgarter Architektenschule stammte. Er ließ dem Architekten, der für seine Originalität bekannt war, freie Hand. Krause entwickelte die singuläre organische Form des Gebäudes in Korrespondenz zu den drei dynamischen Faktoren: den Bewegungen des menschlichen Körpers, der Natur des umgebenden Geländes und zum einfallenden Tageslicht. Fast könnte man sagen daß er im Haus auch die organische Form der späteren Craggskulpturen vorwegnahm.

Cragg verliebte sich bei der ersten Besichtigung des Geländes in den Park und das Haus, obwohl es ziemlich herunter gekommen war und lange leer gestanden hatte. Er sprach von einem „Haus für meine Seele“ und davon, daß die Villa „den Menschen umarmt.“ Antonio Gaudi, Erich Mendelsohn und Hans Scharoun spiegeln sich in der Wuppertaler Villa wider. Cragg hat sie als „lebendiges Zentrum“ des Parks restauriert, gibt aber dem Haus die Möglichkeit zu altern. Dies führt zu durchaus ironischen Kommentaren von Besuchern, von denen viele meinen, das Haus könne einmal wieder einen Anstrich vertragen.

Eine wunderbare Ergänzung und ein neues Gegenüber für das  alte Wohnhaus ist die gläserne Ausstellungshalle des Wuppertaler Architekten Rudolf Hoppe (HSR Architekten), die sich - nahezu unsichtbar- transparent und offen hinter Bäumen und Sträuchern verbirgt. Zum Zeitpunkt des letzten Besuches wurde hier Erwin Wurm ausgestellt. Der bekannte österreichische Künstler, vielen am besten bekannt durch den Nachbau seines Elternhauses, das er in der Längsachse auf ein Sechstel der ursprünglichen Größe geschrumpft hat, liebt das Thema „Häuser“. Dieses verfremdet er so, daß die Wahrnehmung gewellter Fassaden oder aufgebrochener Dächer das ursprünglich banale Haus auflöst und zum Kunstwerk werden läßt.

Als Gegenstück zum organischen Wohnhaus hatte Erich Wurm in dessen unmittelbarer Nähe sein 2004 entstandenes „Fat Hause“ aufgestellt. Das adipöse Gebäude, zerklüftet wie ein fetter Oberschenkel mit zahlreichen Dellen, wirkt wie angeschmolzen. Wurm  ist der Auffassung, daß Zu- und Abnehmen mit der Bildhauerei vergleichbar sei und deshalb ein Thema für seine Kunst. Das fette Haus mit menschlichem Gesicht - Fenster wie Augen, Tür als Mund,
philosophiert im Inneren darüber: „Am I still a house?“, oder was es denn sonst sein könnte.

Während Craggs organisches Haus der Form der Natur folgt, ist Wurms fettes Haus als Karikatur gemeint. Dabei ist es nur vordergründig witzig.
Vielmehr versucht es eine prekäre Balance zwischen Lächerlichkeitt und Tragödie, indem es das vermeintlich Peinliche und Anormale künstlerisch thematisiert.

Tony Cragg, geboren 1949 in Liverpool, und seit 1977 in Wuppertal wohnhaft, hat den Skulpturenpark vornehmlich zur Aufstellung seiner Werke erworben. Er, der zunächst keineswegs Kunst studieren wollte, sondern in einer Gießerei und dann in einem biochemischen Betrieb arbeitete, wandte sich Anfang der 70iger Jahre der Herstellung von Skulpturen zu. Aber seine frühen Erfahrungen beeinflussten die organisch-technische Formensprache seiner Arbeiten. Viele Plastiken erinnern an Werkstücke aus dem Maschinen- und Anlagenbau. sie gleichen Gewinden und Schrauben, wiederum andere haben Ähnlichkeit mit Pilzkulturen, wie man sie an alten Bäumen findet.

Tony Craggs Plastiken haben einen hohen Wiedererkennungswert.
Ihre wirbelnde Dynamik schraubt sich in unregelmässigen Windungen in die Höhe, einige haben das fragile Gleichgewicht von Balletttänzern.
Es sind sinnliche, lianenhafte Skulpturen, die in ständiger Bewegung scheinen und von jedem Standort aus anders wirken. Cragg arbeitet mit allen Materialien, von Gips über Glas bis Bronze. Er kommentiert die Arbeit an seinen Plastiken mit Bergsteigen: man wisse bis zum Schluß nicht, was vor einem liege.