Architektur, eine weibliche Profession

Eine Buchbesprechung.

So wie Architektur allgemein die Gegebenheiten einer Gesellschaft widerspiegelt, so spricht natürlich auch die Tatsache für sich, daß heute über 50 Prozent der Architekturstudenten Frauen sind, sie aber in der konkreten Praxis immer noch eine bei weitem weniger wichtige Rolle spielen als ihre männlichen Kollegen. Die Architekturwelt ist noch immer vorwiegend männlich geprägt. Und die Geschwindigkeit der Veränderung ist im Vergleich zu anderen Disziplinen mehr als langsam Was übrigens für die gesamte Welt des Design gilt.

Die Gründe dafür sind vielfältig, und das Buch von Tanja Kullack - Professorin an der FH Düsseldorf - geht ihnen nicht kriminalistisch nach, sondern läßt die persönlichen Statements von 18 internationalen Architektinnen dazu sprechen. Diese Stellungnahmen sind interessant zu lesen, aber leider auch unvergleichbar, denn eine über 80-jährige Denise Scott-Brown hat natürlich eine andere Prägung erfahren als ihre jüngeren Kolleginnen. Viele der zu Wort kommenden Architektinnen sind zudem in Deutschland unbekannt und die Länder, in denen sie ihre Ausbildung erhalten haben und arbeiten, so verschieden, daß man als Leser die Argumente nicht diskutieren kann.

Die Architektinnen geben Auskunft zu allen Aspekten ihres Berufes, von Autorschaft und Genius über Leitung und Autorität, Achtung und Selbstachtung bis hin zu Fragen der Qualität und der Machtstrukturen. In keinem ihrer oder der anderen Beiträge des Buches geht es um die Frage, ob gute Architektur eine Sache des Geschlechtes sei und ob oder warum Frauen eventuell anders als Männer entwerfen. Diese peinliche Diskussion der 1970- und  80er Jahre scheint – gottseidank – endgültig überwunden. Nicht zuletzt deswegen ist das Buch zur Lektüre zu empfehlen.

Allerdings müssen einige Defizite dabei in Kauf genommen werden, die nicht hätten sein müssen. Die zahlreichen Abbildungen von Bauten sind ohne die Angabe des Jahres ihrer Fertigstellung und deshalb nicht zu vergleichen. Dasselbe gilt für die Architektinnen, bei denen alle Altersangaben fehlen – aus welchen Gründen eigentlich? Eine alphabetische Liste der Befragten sucht man im Inneren des Buches vergebens und entdeckt sie schließlich – dicht gedrängt und schwer zu lesen, nur auf dem Bücherrücken. Trotz solcher Mängel sind die akademischen und professionellen Erfahrungen und Visionen von Architektinnen, die Bauaufgaben jeder Art realisiert haben , spannend zu lesen.