Die Zisterzienser

Eine Ausstellung in Bonn

Im 11. Jahrhundert fand der erste Kreuzzug statt. Doch obwohl diese Zeit im Vergleich zu späteren Jahrhunderten von tiefem Glauben geprägt war, häuften sich die Probleme zwischen dem Deutschen Reich und dem römischen Papst. Der berühmte Gang nach Canossa von Heinrich IV (1077) sollte einen Zusammengang zwischen Papst Gregor VII und den deutschen Fürsten vereiteln. Im Investiturstreit ging es darum zu verhindern, daß die weltliche Macht geistliche Würdenträger benennen durfte. Hinzu kam Simonie, d. h. der Verkauf religiöser Ämter, Pfründe und Reliquien. All dies führte zu Mißtrauen und Unruhe bei den Gläubigen gegenüber der Kirche. Eine wachsende Sehnsucht nach echter Frömmigkeit und Aufrichtigkeit waren die Folge. Eine gute Zeit also, neue mönchische Gemeinschaften mit genau diesen Zielen zu gründen, die auch eine Absage an bisherige kirchliche Prachtentfaltung und weltlichen Reichtum forderten.

Die hervorragende Ausstellung im Bonner Landesmuseum ist umfassend, und wer sich in sie vertieft, weiß am Ende detailliert Bescheid über die Zisterzienser, ihr Leben und die Unterschiede zu anderen Orden. Am Anfang informieren zahlreiche Karten, wie sich innerhalb kürzester Zeit gleich einer Explosion ein ungemein enges Geflecht aus neu gegründeten Klöstern über ganz Europa verbreitet.
Ihre Architektur folgt der des Benediktinerklosters von Cluny, sucht aber größere Einfachheit und verzichtet auf Schmuck und Monumentalität.
Das erste Zisterzienserkloster  namens „Cistercium“ gab dem neuen Orden den Namen. Die ersten Mönche und Nonnen entstammten dem älteren Benediktinerorden.

Deren Gründer, Benedikt von Clairveaux (1090-1153), Abt, Diplomat, Mystiker und ein rundum gebildeter Weltmann, ist der Ordensvater der Zisterzienser, nicht aber ihr Gründer. Die benediktinische Regel hatte der Einsiedler und Abt Benedikt von Nursia (480-547) konzipiert und 529 auch publiziert. Seine Hauptforderungen waren Verzicht auf persönliches Eigentum, Schweigen, Demut. Keuschheit, Gehorsam und eine radikale Gleichheit. In den Zeiten der Völkerwanderung verlangte er die Seßhaftigkeit der Mönche, weil nur so die Konzentration auf das Gebet – und die Überwachung – möglich waren. Der oberste Wahlspruch „ora et labora“ – bete und arbeite – gilt bis heute.

In den ersten 200 Jahren der Zisterzienserklöster wurden über 1000 neue Gründungen in ganz Europa realisiert. Die Einrichtung neuer Klöster fand weit weg von Städten und Dörfern in der Einöde statt, wie es für einen Schweigeorden üblich war. War ein Kloster voll, wurde eine kleine Gruppe von Mönchen mit einem Führer losgeschickt, um irgendwo in der Nähe des alten ein neues Kloster zu gründen und zu bauen. Man nahm nur mit, was man am Leibe trug, sowie ein Holzkreuz, Reliquien und Bücher, die man für die Liturgie benötigte. Manchmal stellte sich der neue Standort allerdings auch als falsch gewählt heraus und wurde wieder verlassen, häufig nach einem wundersamen Fingerzeig der Mutter Maria.

Zisterziensische Frauenklöster wurden ähnlich häufig gegründet wie die für Männer, das erste 1125 bei Citeaux. Die Zugehörigkeit zu einem Kloster war vor allem ein Privileg unverheirateter adliger Frauen. Keineswegs konnte jede Frau, der danach war, Mitglied einer Gemeinschaft werden. Die angehenden Nonnen brachten Geld und Besitz mit und durften über beides verfügen im Gegensatz zu den Männern, die besitzlos sein mußten. Da Frauen im Mittelalter weitgehend rechtlos waren, stand an der Spitze jedes Frauenklosters ein Abt. Im Gegensatz zu den Mönchen durften Nonnen unter keinen Umständen ihre Klöster verlassen und keine Kontakte nach aussen unterhalten. Diese Einschränkungen spiegelten sich in der Architektur.
in vergitterten Fenstern, in Schranken in der Kirche, in Sprechtüren u.ä.

Zu der Einfachheit der Kirchen gehörte eine grosse Zurückhaltung im Schmuck und in der Innenausstattung. So waren in den ersten Klosterbauten nur Abbildungen des Gekreuzigten und der Mutter Maria zugelassen, die eine geradezu mystische Verehrung bei den Zisterziensern genoß. Warum das so war, war in der Ausstellung schwierig herauszufinden. Ein kleines Bild aus dem 15.Jahrhundert lieferte schließlich die Erklärung. Es zeigt Bernhard von Clairveaux zusammen mit Maria und dem Christuskind in ihrem Arm. Eine Hand Marias hält ihre nackte Brust, offensichtlich hat sie gerade ihr Kind gesäugt. Aber sie spritzt auch Milch in den Mund Bernhards. Auf diese heilige Speisung führt Bernhard seine Eloquenz und seine herausragende Bildung zurück.

Einfachheit und asketische Beschränkung in den Formen sind die grundlegenden Charakteristika der Zisterzienserbauten des 11. und 12. Jahrhunderts. Alle Klosterräume sind gleichberechtigt, die Klosterkirche fällt nicht aus dem gebauten Kontext heraus. Die Harmonie dieser frühen Bauten wird durch klare Formen, durch Symmetrie und eine zurückhaltende Farbigkeit erreicht. Doch ab dem 14. Jahrhundert ist damit Schluß, Pracht und eine reiche Ausschmückung setzt sich auch bei den Zisterziensern durch, auch wenn die Architektur insgesamt immer zurückhaltender bleibt als die anderer Orden.

Das Kloster war die lebenslange Wohnung von Nonnen und Mönchen. Hier wohnten, arbeiteten und beteten sie. Der Kreuzgang war der bauliche und soziale Mittelpunkt des klösterlichen Lebens; er war Treffpunkt, Arbeitsstätte und Freizeitort. Im Brunnenhaus, dem Mittelpunkt jedes Kreuzganges, wusch man sich die Hände, bevor man zum Beten ging. Vom Brunnenhaus, der häufig einzigen Quelle des Klosters, wurde das Wasser in die Latrinen und die Waschräume geleitet. Im Kreuzgang war auch die Sonnenuhr angebracht, nach deren Stand die Glocke zum Essen, Schlafen und Beten geläutet wurde. Wenn der Himmel bedeckt war, wurde die Zeit über die Dauer brennender Kerzen oder laufenden Wassers ermittelt.

Im Speisesaal, dem Refektorium, wurden die zwei täglichen Mahlzeiten eingenommen. Serviert wurden ausschließlich vegetarische Speisen, wobei der Begriff sehr gedehnt wurde. Denn Fische und Vögel galten nicht als Fleisch. Die Mönche sassen während des Essens alle mit dem Rücken zur Wand und schauten einander an. So war jeder unter Kontrolle. Im Dormitorium schliefen alle zusammen, in den Anfangsjahren auch der Abt. Der Schlafraum war ungeheizt wie in allen Klöstern. Erst mit den Jahren gab es abgetrennte Kojen und Zellen. Jeder schlief angekleidet in seiner Kutte. Der eigentliche Mittelpunkt des Klosters war der Kapitellsaal, nicht etwa die Kirche. Hier war für Fremde die Anlaufstelle, hier war der Versammlungs- und Gerichtssaal bei innenklösterlichen Auseinandersetzungen.

Das einfache Leben der Mönche betraf auch die Kleidung. Sie besassen eine einzige Tunika aus weisser, ungefärbter Schafswolle. Ein Skapulier, ein brauner Überwurf, schützte die Tunika bei der Arbeit. Ein Gürtel, das Zingulum, hielt die Kleidung zusammen. In kalten Zeiten trugen Mönche und Nonnen die Kukulle, einen Mantel mit Kapuze und weiten Ärmeln, beides nicht zuletzt beim Stuhlgang nötig, um sich dahinter schamhaft zu verbergen.

Die Zisterzienser gehören zu den großen Schweigeorden. Schweigen galt als Urzustand des Lebens und meinte Frieden. Für die in Teilen unerläßliche Kommunikation besonders im Klosteralltag hatte man jedoch eine Art Gebärdensprache entwickelt.

Ohne ihr Hilfspersonal, die Konversen, hätten die Zisterzienser nicht existieren und ihre grosse Bedeutung erlangen können. Die Konversen waren Laienbrüder, die mit im Kloster, aber abseits der Mönche lebten, jedoch kein Gelübde abgelegt hatten. Sie wurden für ihre Tätigkeit bezahlt. Die meisten dieser Männer waren Handwerker und Bauern und  sicherten die tägliche Versorgung und den Verkauf von Waren der Zisterzienser. Sie errichteten die Bauten, reparierten sie und kultivierten das Land. Waren die Mönche die geistigen Fachleute, waren die Konversen praktische Arbeiter und das Bindeglied der Zisterzienser zur Ausssenwelt. Sie planten und bauten den Handel auf, mit dem der Orden viel Geld verdiente. Jedes Kloster war spezialisiert, und die Konversen vernetzten den Verkauf aller Produkte. Da die Klöster über großen Grundbesitz verfügten, richteten die Konversen Gangiengutshöfe ein, wo die tägliche Nahrung der Mönche angebaut wurde und sie so unabhängig von ihrer Umwelt wurden.

Es gab Gutshöfe wie z. B. in Rozedehusen, wo selbst Pferdezucht betrieben wurde. Die Konserven betreuten ebenfalls sogenannte Klostershops in großen Dörfern und in Städten, wo sie ihre Produkte vertrieben. Diese Aussenstellen verschafften den Klöstern Zugang zu anderen Märkten. Für diesen multifunktionalen Handel zahlten die Mönche weder Steuern noch Zölle.

Während die Konversen für ihre Tätigkeiten die Klöster verlassen und reisen konnten, war dies den Mönchen bis auf wenige Ausnahmen verboten. Sie verbrachten ihre Tage mit Beten und geistigen Tätigkeiten. Dazu zählten das Schreiben von Büchern und deren Druck ab dem 16.Jahrhundert. Fast jedes Kloster verfügte über eine Schreibwerkstatt, in der die Schriften für den Eigengebrauch hergestellt, aber auch  kostbare Auftragswerke erstellt wurden. Der Ausdruck „das geht auf keine Kuhhaut“ beschreibt zutreffend den Werkstoff tierischer Häute, die statt des teuren Papiers die preiswertere Grundlage von Büchern und Dokumenten waren.