Von der Weltausstellung zur Expo

Eine kleine Geschichte der Weltausstellungen angesichts der Expo Shanghai

Die Geschichte der Weltausstellungen ist, wenn man die Expos dazu rechnet, inzwischen 159 Jahre alt. Als die erste Weltausstellung 1851 in London stattfand, waren Reisen für viele Menschen unmöglich; höchstens Forscher und Auswanderer wagten sich in fremde Länder. Man konnte sich nicht über die allgemeine Entwicklung der Welt und anderer Gesellschaften  informieren, jedenfalls nicht aus eigener Anschauung. Zwar gab es Bücher und Zeitungen, aber ihre Nutznießer waren nur wenige. Das Fernsehen, das die Bilder und Aktivitäten fremder Länder in das eigene Wohnzimmer überträgt, gab es nicht. Das Radio mit seinen Kommentaren zu Geschehen in aller Welt war noch nicht erfunden. Telefonieren und der direkte Austausch mit Menschen in aller Welt stand noch in den Sternen.  Geschweige denn gab es ein Internet, mit Hilfe dessen sich jeder in aller Ruhe, am eigenen Schreibtisch und in den eigenen vier Wänden über Geschehnisse, Ideen, Erfindungen und Forschungen auch außerhalb des eigenen Wahrnehmungsbereiches informieren konnte.


Insofern war die Erfindung der Weltausstellungen mit dem Ziel, Fachleute wie Laien über den Stand der Technik, über Erfindungen und Innovationen, über Ideen und die Eigenarten fremder Kulturen zu informieren, eine geniale Initiative. Auch wenn die Weltausstellungen sich schon bald in „Wallfahrtsstätten zum Fetisch Ware“ verwandelten, so waren sie doch zunächst wirkliche Feste des Fortschrittes und Zukunftsshows mit enormer Breitenwirkung. Auf unterschiedliche Art und Weise entwickelten sie Visionen und vermittelten Botschaften, deren Inhalte von technischem Fortschritt bis zur Völkerverständigung und politischer Aufklärung reichten. Selbst Karl Marx informierte sich 1851 in London, wenn auch über eher triviale Dinge als über Wirtschaftsphilosophie.


Seit die Weltausstellungen mit der Expo 1992 in Sevilla ehrlicherweise jeden idealistischen Anspruch aufgaben und sich schon im Namen zu dem bekannten, was sie seit langem waren – Industriemessen im Dienste des Exportes – fragen sich die Kritiker, die es auch schon 1851 gab, ob dergleichen kostspielige Massenevents nicht eigentlich überholt seien. Der Computer kann heute eine Expo ersetzen, so wie er den persönlichen Besuch der Bibliothek, des Museums und den Einkaufsbummel in der Stadt schon ersetzt. Industrielle Leistungsnachweise, Sinn und Zweck früherer Weltausstellungen, brauchen die Kommunikationsräume einer herkömmlichen Expo nicht mehr. Was bleibt, ist die Selbstdarstellung des Veranstalterlandes und der ausstellenden Länder und deren Versuch, im Zeitalter totaler Kommunikation mit ihrer Show dennoch starke Bilder zu erzeugen und damit eine weltweite Öffentlichkeit wenigstens zeitweilig zu beeindrucken.


Einige Kritiker meinen, dass Expos heute nichts als „perfekt organisierte Megashows“ sind ohne jede Vision und nur in der Absicht, wirtschaftliche Kontakte zu knüpfen. Ihre frühere einzigartige Informationsbedeutung haben sie  jedenfalls verloren und sind auch schon lange kein Publikumsmagnet mehr. In den Industrieländern rangieren sie inzwischen in der Nähe von Bundesgarten- und Landschaftsschauen, von  Biennalen und Kulturhauptstädten, Initiativen, die Städten oder Regionen der Anlaß zu einer radikalen Erneuerung oder Modernisierung sind, für die man Zuschüsse erhalten kann, die einem sonst nicht zufließen. So verfolgte das spanische Saragossa mit seiner Expo 2oo8 das ehrgeizige Ziel, die eher provinzielle Stadt mit Hilfe eines internationalen Auftrittes großstädtisch zu inszenieren und sie zwischen Madrid und Barcelona neu zu positionieren. Saragossa scheiterte auf breiter Linie: die Stadt wählte das falsche Gelände, das dann während der Expo auch einige Male durch das Hochwasser des Ebro überschwemmt wurde, und sie fand keine überzeugende Idee der Weiterverwendung des Expo-Geländes und der dort hinterlassenen Bauten. Hannover ging es mit seiner Expo 2ooo ähnlich.

Die erste Weltausstellung auf deutschem Boden ist nahezu vergessen. Die baulichen Überbleibsel sind ohne Glanz, das ehemalige Expo-Gelände langweilig. Im Gedächtnis haften geblieben ist bei einigen höchstens Meinhard von Gerkans Kirche und Ort der Stille, die dann abgeschlagen und anderenorts weiterverwendet wurde. Und manch einer mag noch den Duft des Schweizer Pavillons von Peter Zumthor in der Nase haben, diesem genialen Nichts aus frisch geschlagenem und geschichtetem Holz, das eindringlicher war als jeder noch so konstruktiv beeindruckende Bau. Bei den Expos in den Industrieländern wird ihre Beliebigkeit immer stärker deutlich. Für Schwellen- und Entwicklungsländer sieht dies anders aus. Für China ist die Expo 2o10 in Shanghai nach den Olympischen Spielen 2oo8 ein weiteres Großereignis, mit dem das Land sich als wirtschaftliche und politische Vorzeigenation darstellen kann, und das vor der erstaunlichen Kulisse der Megastadt Shanghai, die die eigentliche Attraktion der Expo ist.

Herausragende Architektur hat in der Geschichte der Weltausstellungen schon immer eine zentrale Rolle gespielt. Bereits die erste Weltausstellung 1851 im Hyde Park in London, für die der Gärtner Joseph Paxton nach dem Vorbild riesiger Gewächshäuser den vorfabrizierten Kristallpalast baute, setzte architektonische Maßstäbe, die zu erreichen sich spätere Weltausstellungen schwer taten. Queen Viktoria subsumierte bei der Einweihung ihren Eindruck von dem lichtdurchfluteten Bauwerk aus Eisen und Glas als „überwältigend, ruhmreich, berührend“. Die Dimensionen dieses Baus von 563 m Länge, 124 m Breite und einer 33 m hohen Kuppel waren derart, wie sie die Welt bis dahin nicht gesehen hatte. Auch die Hoffnungen auf einen durchschlagenden Erfolg dieser ersten Weltausstellung als Fortschrittsshow bestätigten sich mit 17.ooo Ausstellern aus aller Welt und 6 Millionen Besuchern. Der Eindruck eines Friedensfestes, das die Veranstalter ebenfalls intendierten, trat dagegen in den Hintergrund.


Die Propaganda, ein Friedensfest zu sein, war auch die vorrangige Ambition der Weltausstellung 1855 in Paris. 1852 hatte sich Louis Napoléon zum Kaiser Napoléon III erklärt und die Weltausstellung war das geeignete Mittel zur weltweit wahrgenommenen Repräsentation. Gleichzeitig konnte er mit diesem Ereignis Revanche für den ewigen Erzrivalen London nehmen und eröffnete so den Wettbewerb der Nationen und Städte gegeneinander. Winfried Kretschmer findet dafür die Bezeichnung „Weltausstellungsdarwinismus.“ Die antikisierende Architektur der Weltausstellung in bester Lage an den Champs Elysées aber konnte sich mit dem Londoner Kristallpalast nicht messen.


Die Ausstellungsarchitektur von Paris 1867 war dagegen geradezu revolutionär. Die Galérie des Machines mit ihren hydraulischen Aufzügen bis aufs Dach setzte den Maßstab für zukünftige Bauten, nämlich spektakulärer und sensationeller zu sein als die vorherigen. Die Schau der Superlative zog eine riesige Besuchermenge an, doch die eigentliche Ausstellung war die Stadt Paris selbst. Baron Haussmann hatte sie durch grosse Ab- und Durchbrüche von ihrer mittelalterlichen Enge befreit und breite Boulevards und neue Architektur geschaffen, die nun die Kulisse für die Weltausstellung bildeten.

1876 fand die erste Weltausstellung in Philadelphia in den USA statt. Sie demonstrierte der Welt die politische und wirtschaftliche Potenz Amerikas. Der Bau der Freiheitsstatue, deren Idee ironischerweise aus Frankreich kam, stand als dauerhaftes Symbol dafür.

Mit der Weltausstellung 1889 in Paris feierte die französische Revolution ihren hundertsten Geburtstag. Paris wurde aus diesem Anlaß in ein Lichtermeer getaucht, wobei nicht nur ein neues Medium gefeiert wurde, sondern Licht auch als Synonym für Aufklärung stand. Die Mammutshow war der Höhepunkt aller Ausstellungen des 19.Jahrhunderts. Auch ihre Architektur mit der fast schwebenden Maschinenhalle und dem imposanten Eiffelturm, zwei der bis heute berühmtesten Ingenieurbauwerke des 19.Jahrhunderts, blieb lange Zeit unerreicht. Der Eiffelturm, den eine frühe Bürgerinitiative aus Architekten, Bildhauern und Schriftstellern zu verhindern drohte, weil sie ihn für störend und einen Turm zu Babel hielten, ist bis heute ein Ausweis der Genialität seines Erbauers und aus dem Straßenbild von Paris nicht weg zu denken.

Ganz im Gegensatz zu der radikalen Modernität dieser Architektur steht die Weltausstellung 1893 in Chikago. Trotz der größten aller je gebauten Maschinenhallen (239-514m) dezentralisiert die Show die bis dahin in Großbauten  komprimierten Ausstellungen und errichtet erstmals Pavillons. Das gegenüber fortschrittlicher Architektur misstrauische Amerika verbirgt deren Äußeres hinter neoklassizistischen Gipsfassaden. Sullivan, der berühmte Hochhausarchitekt der damaligen Zeit, seufzte darüber: „ Der von der Weltausstellung angerichtete Schaden wird mindestens 5o Jahre dauern, wenn nicht länger.“

Daß ein Eiffelturm noch kein fortschrittliches Paris macht, sondern man auch dort noch ähnlich konservativ denkt wie in den USA, verraten 19oo Pläne der Pariser Weltausstellung, den Eiffelturm mit Erkern und Türmchen zu verzieren und mit einer gigantischen Steinfassade zu verkleiden, um seinen Anblick so „erträglich“ zu machen. Selbst elf Jahre nach seiner Fertigstellung hatte man sich an ihn immer noch nicht gewöhn; glücklicherweise scheiterten die Umbaupläne. Die Weltausstellung wird von der Rekordzahl von 5o Millionen Besuchern frequentiert, nicht zuletzt auch deswegen, weil im Rahmen der Show die zweiten Olympischen Spiele der Neuzeit ausgetragen wurden. Coubertin hatte 1896 die antike olympische Tradition in Athen wieder auferstehen lassen, und diesmal war Paris der Austragungsort.

Zu Beginn des 2o.Jahrhunderts verabschiedet sich Paris für längere Zeit aus dem Zirkus der Weltausstellungen. Waren diese bis jetzt einträchtig zwischen London, Paris und den USA hin- und hergewechselt – 1876 Philadelphia, 1893 Chikago – finden sie nun auch allmählich den Weg in andere Städte. Das von zwei Weltkriegen „zerrissene“ 2o Jahrhundert bricht auch mit der pompösen Inszenierung des immer größeren, immer prunkvolleren Siegeszuges der Ausstellung von Industrie und Technik.

Während sich in Europa Länder neu ordnen und neue politische Gruppierungen entstehen und für Weltausstellungen kein Interesse da ist, hielt die USA 19o4 in St.Louis Hof. „Die Fair ist eine Folge mentaler Schocks“, schrieb damals ein Journalist. Ein Schock und eine ökologische Katastrophe waren besonders die Anlage des 5oo ha großen Geländes der Weltausstellung. Bisher große und unberührte Wälder wurden dafür gefällt, Sümpfe gesprengt und trocken gelegt, Flüsse begradigt. Trotz solcher Zerstörung intakter Natur gab es in der Architektur keinen Fortschritt, sondern eine Wiederauflage der konservativen griechisch-römischen Stuckpaläste von Chikago. Sullivans Seufzer war noch immer berechtigt.

Die Weltausstellungen 19o5 in Lüttich, Mailand 19o6, Brüssel 191o und Gent 1913 waren ohne großen Glanz, doch mindestens die Architektur löste sich zunehmend von den klassizistischen Stilen. Peter Behrens und Richard Riemerschmid entwerfen für Brüssel moderne Bauten, und die Presse schreibt enthusiastisch: „Ein junger Stil ist geboren“.
Die Weltausstellung 1915 in San Francisco wird zwar vom 1.Weltkrieg überschattet, ist ansonsten aber ein rauschendes Fest, „unbeschwert unter der Sonne Kaliforniens“, mit Golftournieren, Militärparaden und 1ooo Kongressen zu unterschiedlichsten Themen. Sie wurde eine der wenigen lukrativen und profitablen Veranstaltungen, während die Mehrzahl der Weltausstellungen teure Zuschussgeschäfte waren.

Erst in Barcelona 1929/3o werden Verfahren und Maßstäbe entwickelt, nach denen in Zukunft Städte den Zuschlag für Weltausstellungen erhalten sollen. Damit wird zwar nicht die gegenseitige Konkurrenz ausgeschaltet, aber in die Vergabe kommt eine gewisse Ordnung und Berechenbarkeit. Barcelona ist die letzte Weltausstellung in klassizistischem Gewand. Nur ein Nichts von einem eleganten kleinen Gehäuse fällt in der monumentalen Großarchitektur des Ausstellungsgeländes im wahrsten Sinne des Wortes aus dem Rahmen, Mies van der Rohes deutscher Pavillon. So klein er ist, so revolutionär ist er.

Mies befreit erstmalig in der Baugeschichte die Wand von ihrer tragenden Struktur und stellt sie in den Dienst des Raumes. Der Pavillon ruft einhellige ästhetische Bewunderung hervor und mutiert schnell zur Inkarnation einer neuen Architektur. Übrigens wurde auch diese Ikone der Moderne am Ende der Ausstellung wie die meisten anderen Bauten abgerissen und erst 1979 wieder rekonstruiert und neu gebaut.

Die Weltausstellung 1933 in Chikago feiert als zentrales Thema das Licht, in Lichtkaskaden, Lichtfontänen und Lichthimmel. Erstmalig spielen Großkonzerne wie z.B. General Motors eine beherrschende Rolle. Nach Aufhebung  des seit 192o in den USA geltenden Alkoholverbotes artet die Weltausstellung in ein gigantisches Saufgelage aus.
1937 ist Paris wieder am Zuge, und zwar mit einer bewusst geplanten Konfrontation zwischen der Architektur Rußlands und Deutschlands. Mies van der Rohes minimalistisches Meisterwerk wäre in der Umgebung der in Paris ausstellenden Diktaturen nicht nur untergegangen, sondern wahrscheinlich erst gar nicht gebaut worden. Zwar hing Picassos Protestbild Guernica im spanischen Pavillon, aber der Geist dieser Weltausstellung war nationalistisch-monumental. Das französische Palais des Chaillot in Paris, heute Heimat des französischen Architekturmuseums, ähnelte in seiner Wucht durchaus einem Nazibau, wurde aber vom deutschen Pavillon Albert Speers noch übertroffen. Dessen in schwere Pfeiler gegliederte kubische Masse erinnerte an eine bombastische Trutzburg. Der genau gegenüber liegende russische Pavillon war ein ähnlich gigantisches Bollwerk nationaler Propaganda, aber dem deutschen Nazipavillon gelang das Kunststück, ihn ein wenig zu überragen.

Die Weltausstellung 1939 in New York stand unter dem Thema „Bauen wir die Welt von morgen.“ Genau diese Welt und ihre Zukunft brach mit dem Einmarsch der Nazis in Polen zusammen. Viele Polen, die nicht von der Weltausstellung nach Hause zurückkehren konnten, blieben gleich in den USA. Die New Yorker Show markierte im übrigen den Beginn des neuen Fernsehzeitalters, denn die Eröffnungsfeier wurde erstmals in alle Welt übertragen. Die Architektur war ultramodern mit einem Hang zum Sensationellen. Daneben aber gab es das Verlangen nach klarer einfacher Architektur. Das wird an einem Wettbewerb deutlich, in dem das Büro Alvar Aalto die ersten drei ersten Preise einheimste; einen bekam er, einen seine Frau und einen dritten wieder er, weil er am Wettbewerb mit einem zweiten Entwurf unter einem Pseudonym teilgenommen hatte.

Die Weltausstellungen werden immer mehr zu Spielwiesen der Architekten. Großartige Architektur beherrschte auch die Weltausstellung in Brüssel, die unter dem Thema „Der Welt das Menschliche zurück geben“ stand. Ausgerechnet unter dem Wahrzeichen des Atomiums versuchten die ausstellenden Völker, die Katastrophe des Atombombenabwurfes durch die Amerikaner über Japan und ihrer Zerstörung vergessen zu machen und stellten sich vielfach wie Deutschland in entmaterialisierten Bauten dar, die „Luftwesen“ glichen und zu schweben schienen. Sie sollten eine andere und demokratische Gesellschaft symbolisieren. Le Corbusier baute für Philips einen Vorläufer des Dekonstruktivismus in Gestalt eines asymmetrischen Pavillons, der einem zusammen gestürzten Aluminiumzelt ähnelte oder den Resten eines Flugzeugabsturzes.
Montreal 1967 schließlich wird zum Höhepunkt herausragender Architektur.

Faszinierend die leichten Raumtragwerke und filigranen Netzdächer des Deutschen Pavillons von Frei Otto und Rolf Gutbrod, ohne deren Vorbild  Günter Behnischs berühmte Olympiabauten von München 1972 nie hätten realisiert werden können. Wegweisend auch Moshe Safdies Habitat, eine experimentelle Wohnsiedlung aus gestapelten Kuben, die erstmals in dieser Form seriell angefertigt worden waren. Die größte Attraktion von Montreal aber war die Kuppel von Buckminster Fuller, ein geschweißtes Raumtragwerk aus Stahl mit Acrylglasplatten verkleidet in den Ausmaßen von 61 m Höhe und 76 m Durchmesser.

1970 in Osaka fand die erste Weltausstellung auf asiatischem Boden statt. Sie war ein Festival der Konstrukteure und metabolistischer Superkonstruktionen. Kenzo Tange baute dafür das damals größte frei tragende Dach der Welt in der Größe von 1o8 x 191 m.

Eine Weltausstellung oder Expo tanzt nur einen Sommer. In dieser Zeit soll sie ein Publikum aus aller Welt begeistern und Millionen Besucher anziehen. Deswegen beschäftigen Expos gern sog. Stararchitekten wie z.B.  Santiago Calatrava 1998 in Lissabon, dessen Expo Bahnhof noch heute steht. Aber auch diese weltberühmten Architekten  können wie Zaha Hadid in Saragossa 2oo8 mit ihrem Aufsehen erregenden Zwitter aus Haus und Brücke, das in seiner Form einem Fisch ähnelte, nichts daran ändern, dass die Magie des Weltausstellungen am Ende des Sommers meist verflogen ist und auch die qualitätvollen Ausstellungsbauten entweder abgerissen oder funktionslos werden. Es gibt kaum ein ehemaliges Expo-Gelände, das eine sinnvolle Nachnutzung gefunden hat und das zu besichtigen sich heute noch lohnt.
Das Futter der Weltausstellungen waren immer technische Innovationen und inszenatorische Sensationen. Bei der ersten Weltausstellung 1851 zeigt Michael Thonet erstmals seine uns heute wohlbekannten Stühle und Sofas aus gebogenem Holz, ferner gab es  neueste Erfindungen von der Lokomotive bis zur Präzisionsuhr zu sehen; aus den Kolonien konnte man als exotischen Höhepunkt ausgestopfte wilde Tiere besichtigen.

Exotik war immer ein großes Thema für Weltausstellungen. Ohne Fernsehen und Fernreisen waren Asien, Afrika oder der Orient unbekannte, geheimnisvolle Stätten. Die häufig wie im Zoo gezeigten Bewohner dieser Kontinente lockten  immer zahlreiche Besucher an. Eben diese Beiprogramme der technischen Shows verwandelten die Weltausstellungen nicht selten in laute Jahrmärkte.

1867 in Paris zeigte man zwar selbstbewusst Haussmanns neue Stadt, aber Eduard Monets Gemälde „Dejeuner sur l’herbe“, auf dem eine nackte Dame mit zwei angezogenen Herren im Gras frühstückt, galt als unmoralisch und durfte nur außerhalb des Geländes gezeigt werden. Erstmals wurde auch eine Kruppsche Riesenkanone gezeigt, die die Bewohner von Paris dann wieder erkannten, als dergleichen Kanonen im Krieg 187o die Stadt bombardierten. Als Freizeitsensation gab es für jeden Besucher Fallschirmsprünge von einem Turm.

Das Beste in Philadelphia 1876 war bei zahlreichen Pleiten ein von Richard Wagner für die Eröffnung komponierter Festmarsch und 1878 wieder in Paris ein Fesselballon, mit dem bis zu 5o Personen aufsteigen konnten, um die Stadt von oben zu betrachten.

1889 fand im Schatten des Eiffelturmes der erste öffentliche Bauchtanz statt und geriet zu einem handfesten Skandal. 1893 stellte Thomas Edison seinen Phonographen in Chikago aus und Krupp wiederum die damals größte Kanone. Erstmals gab es auf dieser Weltausstellung eine Ausstellungshalle nur von Frauen für Frauen. Gleichzeitig waren als exotische Attraktion Originaldörfer aus Afrika und der Südsee aufgebaut, in denen die Eingeborenen als kuriose Exponate zu bestaunen waren. Übrigens kehrten sie nie in ihre Heimat zurück, weil es nicht vorgesehen war und es dafür kein Geld gab. Die Veranstalter kümmerten sich nicht um sie; sie verelendeten rasch in einer ihnen fremden Umgebung und Gesellschaft.

Die Weltausstellung 19oo in Paris zeigte die aufkommende Massenmobilität in zahlreichen glitzernden Automobilen, während 19o4 in St. Louis das Waffelhörnchen für Eis erfunden wurde und eine verlogene Moral, die die Weltausstellungen eigentlich immer begleitet hatte, wieder einmal einen Höhepunkt erreichte. Die Hauptattraktion der Weltausstellung waren unterschiedliche „Rassen“ von den afrikanischen Pygmäen bis zu den japanischen Ainus. Paris aber empörte sich über die nackten Bewohner eines philippinischen Dorfes, bis man diesen Menschen Kleidung verordnete. 1915 in San Francisco waren die ersten Flugzeuge zu bestaunen.

1933-34 in Chikago, als die absolute Sensation eine Nudistenkolonie war, wurde die Themenausstellung geboren. Bis heute stehen seither alle Weltausstellungen unter einem Motto, auf das alle ausstellenden Länder in ihren Pavillons eine jeweilige Antwort versuchen. 2oo8 war das zukunftsträchtige Thema „Wasser und Nachhaltigkeit“. Doch auf solche hochbrisanten und politisch aktuellen Fragestellungen findet kaum eine Weltausstellung grundsätzliche Antworten von Bestand. Dergleichen wird heute in den Medien, im Internet und auf Fachkongressen diskutiert. Was also sind noch Probleme, mit denen sich Weltausstellungen in Zukunft beschäftigen sollen?
China hat sich 2010 ein durchaus zukunftsträchtiges Thema einfallen lassen: „Better City, Better Life“. Angesichts der immer schnelleren Verstädterung der Welt und der Entwicklung von immer mehr und größeren Megalopoles ist dies eine der großen Zukunfts- und Überlebensfragen. Man darf daher gespannt sein, wie dieses Thema auf der diesjährigen Expo in Shanghai, die vom 1.Mai bis 31.Oktober 2o1o stattfindet und die erste in China überhaupt ist, abgehandelt wird. Aber möglicherweise wird man auf substantielle Antworten wohl vergeblich warten.

Shanghai selbst ist eine mögliche Antwort. Die Stadt ist heute mit ca. 2o Millionen Einwohnern die derzeit wohl größte städtische Agglomeration der Welt. Und im Gegensatz zur weisen, großen Schwester Peking eher eine unruhige und nervöse Stadt, die rasant weiter wächst.

Um 199o endete der Dornröschenschlaf Shanghais und begann ihr kometenhafter Aufstieg zu einer der führenden internationalen Metropolen.
In vielerlei Hinsicht erinnert sie an den  berühmten Wilden Westen aber im 21.Jahrhundert. In den letzten zwanzig Jahren wurden 4ooo Hochhäuser gebaut, und ein Ende ist nicht ab zu sehen. Shanghai ist eine junge Stadt, deren Abzeichen die futuristische Skyline von Pudong ist, dem neuen Stadtteil mit den kühnen Hochhäusern auf der östlichen Seite des Huangpu. Vor knapp fünfzehn Jahren war dies noch eine rein landwirtschaftlich genutzte Fläche. Shanghais bisheriges Vorzeigepanorama, die Skyline des Bund aus dem 19.Jahrhundert, wurde in den letzten Jahren renoviert, wirkt jedoch geradezu altmodisch im Vergleich zu den neuen Teilen der Stadt. Aber der Bund ist ein Viertel mit unglaublich viel Atmosphäre und daher ein wohltuender Kontrast zur kühlen Glitzerwelt Pudongs.

Was aus dem Expo-Gelände in Shanghai wird, wenn die Tore Ende Oktober geschlossen werden, ist wenig aufregend. Der Chinesische Pavillon bleibt stehen, und um ihn herum wird das Expo Dorf gebaut . Einige weitere ausgewählte Pavillons bleiben vom Abbruch ebenfalls verschont, und die restliche Fläche wird mit Wohn- und Geschäftstürmen gefüllt.

Für Shanghai und China sind solche Pläne eher zweitrangig. Hier und jetzt ist es wichtig, dass die Expo in Shanghai stattfindet und dass China sich in der Lage zeigt, so kurz nach den Olympischen Spielen 2oo8 ein weiteres Großereignis souverän zu stemmen.

Alle Zitate aus Winfried Kretschmer, Geschichte der Weltausstellungen, Frankfurt- New York 1999