Yes, we can

Über Fußball in Afrika

„Wer sich Afrika über den Fußball nähert, wählt nicht den schlechtesten Weg zu verstehen, wie dieser Kontinent funktioniert, „ so Andreas Mehler vom Institut Afrika Studien in Hamburg. Eben diese Annäherungsweise ist manchem als Vorbereitung für die Weltmeisterschaft in Südafrika zu wünschen, die in vier Monaten beginnt. Eine informativere Lektüre als „Laduuuuuma – wie der Fußball Afrika verzaubert“ von Bartholomäus Grill, dem langjährigen Afrikakorrespondenten von die“ Zeit“ und Berater des Bundespräsidenten in Afrikafragen, ist dafür nicht denkbar. Grill liebt den Schwarzen Kontinent und beschreibt mitfühlend wie kritisch seit 1993 dessen Widersprüche. Als fußballbegeisterter Journalist, der Anhänger von Borussia Dortmund ist, kennt er die Geschichte und die Verantwortlichen des afrikanischen Fußballs und erzählt gut recherchierte, teilweise amüsant formulierte Geschichten zu diesem Thema, das den meisten Europäern wie der Kontinent selbst ein Rätsel ist.

Grills Buch über den Fußball  ist wie schon sein 2oo5 erschienenes Buch „Ach Afrika“ eine Liebeserklärung und ein leidenschaftliches Plädoyer dafür, den schwarzen Kontinent nicht abzuschreiben, weder politisch, sozial noch fußballerisch. Grill, der eine Zeitlang als mlungu, als weisser Trainer einer schwarzen Jungenmannschaft, der Radium Stars, in Johannisburg fungierte, weiß besser als viele andere, wovon er schreibt.

„Ke nako“- es ist Zeit- stellt Grill fest und führt den Leser realistisch und verständlich durch die Fußballgeschichte Afrikas, die 1879 mit der Gründung des ersten Fußballvereines beginnt und 2oo4 mit der Entscheidung der FIFA für die Weltmeisterschaft 2o1o in Afrika ihren vorläufigen Höhepunkt fand. 8o Jahre hat der Kontinent auf diese Chance gewartet, seit 193o die Geschichte der Fußballweltmeisterschaften in Uruguay begann.„Laduuuuuma“= „Tore“ ist deshalb sein Wunsch für die Afrikaner und das Bafama Bafama Team, das Nationalteam Südafrikas. Dieses Team pendelt in der Weltrangliste zwischen dem 7o.und 85. Platz, aber 1998 spielte es auf „Augenhöhe mit Dänemark“. Sepp Maier lobte es seinerzeit mit den anerkennenden Worten: „De san ned schlecht“.

„Der Sport hat die Kraft, die Welt zu verändern. Er ist mächtiger als Regierungen, wenn es darum geht, Rassenschranken nieder zu reissen.“ Als Nelson Mandela dies 1995 sagte, sprach er zwar von Rugby, aber sein Glaube lässt sich auch auf den Fußball als Mittel, Weiß und Schwarz in einer Nation zu versöhnen, übertragen. Grill spannt den Bogen seines Buches von politischen Überlegungen, wie Fußball nationales Selbstbewusstsein stärken, aber auch von Despoten benutzt werden kann, um Kriege anzuzetteln, bis hin zu Fragen der Korruption im Fußball und einer Kritik an der FIFA und ihrer brutalen Kommerzialisierung der Spiele. Eine seiner stärksten Geschichten ist der Bericht darüber, welche Bedeutung Fußball für die Häftlinge auf Robben Island hatte, das 7 Kilometer vor der Küste Südafrikas liegt. Hierher verbannte das Apartheitsregime seine Gegner wie z.B. Nelson Mandela, der hier Jahrzehnte verbrachte. Häftling Nr.885/63, Indrees Naidoo, setzte damals durch, dass die Häftlinge kicken durften, eine psychologische Hoffnung. „Wir fühlten uns frei, wenn wir spielten.“

Am authentischsten ist Grill dort, wo er die Umstände des fußballnärrischen Kontinentes beschreibt, Kinder, die barfuß in jedem Dorf kicken, mit einem Ball aus Lumpen, einem Enthusiasmus, der die Armut ein wenig erträglicher macht, in der Hoffnung, entdeckt zu werden und in Europa Geld zu machen. Er schildert, warum alle Kinder den Ball treten wollen und gute Torhüter wie Jens Lehmann zwar verehrt werden, aber in Afrika kaum zu finden sind. Er beschreibt, in welchem Ausmaß noch magische Mächte und Geister selbst bei aufgeklärten Fußballern eine Rolle spielen und der Aberglaube europäischen Trainern zusetzt, die ihm aber mit rationalen Gegenargumenten nicht beikommen können. Nicht alle liessen sich davon abschrecken. Burkhard Pape, einer der ersten „Fußballentwicklungstrainer“, den die Bundesrepublik in die dritte Welt entsandte und der von 1968-73 unter dem Schlächter Idi Amin die Nationalmannschaft Ugandas aufbaute, würde nach Afrika zurückgehen, wenn er ein Angebot bekäme. „Sofort, zu Fuß.“

Grill sieht in der Fußballweltmeisterschaft eine grosse Chance. Er verhehlt durchaus nicht die Probleme Südafrikas in Sachen Sicherheit, Kriminalität und Transport, aber er will diese Chance nicht schon vor den Spielen kleinschreiben. Auch er glaubt nicht, dass die Spiele für Südafrika, Entwicklungsland und Industrienation in einem, die Zauberformel für Wachstum und Wohlstand, für Investitionen und Arbeitsplätze sind. Aber sein Buch fordert die Möglichkeit des Erfolges ein. Und nichts wünscht er Bafama Bafama mehr als die Neuauflage des sensationellen Spieles 1996 gegen den Weltmeister Brasilien, der erst in der zweiten Halbzeit mit knapp 3:2 gewann.