Das Haus, das ich schon immer bauen wollte ...

... aber nie bauen werde.

Beim Aufräumen stieß ich auf ein über zwanzig Jahre altes Manuskript, das ich völlig vergessen hatte. Eine Redaktion bat damals um einen längeren Bericht darüber, wie das Haus, das ich schon immer bauen wollte, aussehen würde. Ein kurzer Moment des Nachdenkens heute und ich wußte, das ich kein sogenanntes Traumhaus habe und nie hatte. Als ich weiter las, stellte ich fest, daß ich genau darüber geschrieben hatte und ich noch heute jeden Satz von damals unterschreiben kann.


1.

„ Die Antwort auf die Frage nach meinem Lieblingshaus muß ich negativ beantworten.Ich habe keines. Jedenfalls keines, das irgendwo steht und das man fotografieren oder besichtigen kann. Das Haus, das ich schon immer bauen will, ist immer das nächste schöne Haus, das mir begegnet. In der nächsten Woche, in einem Jahr, in Irland oder in Spanien.

Es gibt Begegnungen mit Architektur, die mich atemlos machen und hinreißen, die mich immer wieder neu für Architektur begeistern. Aber ich weiß inzwischen auch, dass mein Enthusiasmus und meine Freude an guten Bauten immer wieder neu aktiviert werden müssen. Das Haus, das ich schon immer bauen wollte, wird vermutlich nie fertig werden. Und ich wünsche mir, dass das so bleibt, denn ich träume von einem Raum, der immer wieder neu und anders ist.

Der Traum von einem Haus ist spannender als das gebaute Haus. Der Traum birgt Möglichkeiten und Geheimnisse, die die Wirklichkeit nicht kennt. Deswegen liebe ich vermutlich auch den norwegischen Architekten Sverre Fehn, der um die Magie der Phantasie beim Bauen weiß und sie fördert wo er kann. Er berichtet vom Bau eines seiner schönen Einfamilienhäuser, der Villa Busk, deren Bauherren, ein Ehepaar, er einmal in der Woche traf, um mit ihnen den Baufortschritt zu besprechen. Bei diesen Treffen hatte er immer auch einen separaten Termin mit der fünfjährigen Tochter. Mit ihr diskutierte er über ein unsichtbares Zimmer im neuen Haus, von dem die Eltern nichts  wissen sollten. Es war ein Geheimnis zwischen dem kleinen Mädchen und Sverre Fehn. Als schließlich das Haus der Eltern fertig war, war auch das verborgene Zimmer der Tochter fertig, ein Raum der Phantasie und des Zaubers, ein Luftschloss. Es verschwand nicht, denn wie kann etwas verschwinden, was es nie wirklich gegeben hat. Doch das Kind wußte um diesen Raum, kannte ihn genau, er war das Glück des Kindes. Was für ein wunderbares Vertrauensverhältnis das Mädchen durch dieses Erlebnis zu dem Architekten und zur Architektur gefunden hat, kann man nur vermuten.

Etwas ganz anderes meint Bertold Brecht in den Eingangszeilen zu seinem Gedicht „Über die Bauart langandauernder Werke“:

„Wie lange Dauern die Werke?
So lange als bis sie fertig sind.
So lange sie nämlich Mühe machen
Verfallen sie nicht…
Die zur Vollständigkeit bestimmten
Weisen Lücken auf
Die lang andauernden
Sind ständig am Einfallen.      
Die wirklich groß geplanten
Sind unfertig…“

Am fertigen Bau hängt das Herz nicht, vorausgesetzt man hat eine andere Bleibe, in der man wohnen kann. An der gebauten Realität dockt die Phantasie selten an. Der unfertige Bau dagegen macht Mühe, und Mühe macht kreativ, sie beschäftigt einen, fordert heraus, provoziert. In der Anregung der Phantasie und im Spannungsreichtum der Reaktionen treffen sich der unfertige Bau Brechts mit dem geheimnisvollen Zimmer Sverre Fehns.


2.

Das Haus, das ich schon immer bauen wollte, vereinigt in sich die Besonderheiten und die Reize aller schönen Häuser, die ich je gesehen und besucht habe. Es ist das Idealhaus, von dem Kurt Tucholsky in seinem Gedicht „Das Ideal“ sagt:

„Ja, das möchtste:
eine Villa im Grünen, mit grosser Terrasse,
vorn die Ostsee, hinten die Friedrichstrasse,
mit schöner Aussicht, ländlich mondän,
vom Badezimmer ist die Zugspitze zu sehn,
abends zum Kino hast dus nicht weit.
Das Ganze schlicht, voller Bescheidenheit:
Neun Zimmer, nein, doch lieber zehn.
Ein Dachgarten, wo die Eichen drauf stehen, Radio, Zentralheizung Vakuum,
eine Dienerschaft, gut gezogen und stumm,
eine süße Frau voller Rasse und Verve
(und eine fürs Wochenende, zur Reserve),
eine Bibliothek und drumherum
Einsamkeit und Hummelgebrumm.“

Kein anderer Text benennt so treffend die widersprüchlichen Anforderungen an das eigene Wohnen, die der Mensch hat. Ich mache da keine Ausnahme. In der Tat fände ich es schon schwierig zu entscheiden, wo ich mein Traumhaus bauen wollte, in der Einsamkeit des Waldes, an einem steilen Felsen über glitzerndem Wasser, auf einer Obstwiese, mitten in Hamburg an der Binnenalster, im dunklen Norden oder im heißen Süden. Je nach Stimmung wäre das eine so gut wie das andere. Warum aber den Wachträumen durch eine konkrete Entscheidung ein Ende bereiten?


3.

Die Häuser, die ich seit langem liebe und bewundere, haben eines gemeinsam. Sie sind einfach und reduziert, Form, Material und Raum bilden eine Einheit. Man kann sie minimalistisch nennen, weitgehend frei von ornamentalem Beiwerk. Klarheit und Strenge zeichnen sie aus, alles Überflüssige ist weggelassen. Die Architektur der frühen Romanik ist so, die weißen, kubischen Bauten der Kykladen zeigen diese Merkmale. Japanische Zengärten folgen solch spartanischer Gestaltung. Zugegeben, die meisten Menschen können mit der sparsamen Eleganz solcher Architektur nichts anfangen und lehnen sie ab... Sie fühlen ihre Phantasie nicht beflügelt, sie langweilen sich mit ihr.
Für mich dagegen ist solche Architektur wesentlich, was nach Aristoteles „das ist, was es ist“.  Für mich ist die Idee der Sparsamkeit eines Hauses herausfordernder als ein überladener Bau, die schlichte Ästhetik eines einfachen Hauses ist für mich faszinierender als erdrückende Fülle. Die häufig abstrakte Schönheit reduzierter Gestaltung lässt mir mehr Luft zum Atmen als barocke Überladenheit,  sei sie noch so kunstvoll. Minimalistische Architektur lässt mich ruhig werden, was der Architekt Claudio Silvestern als untrügliches Merkmal qualitätsvollen Bauens definiert.

Minimalistische Architektur ist nicht um jeden Preis auf Neues aus, sie will nicht der letzte Schrei sein, sie ist in gewisser Weise zeitlos, auch wenn das eine abgenutzte Vokabel ist. Es ist eine Architektur, die nicht nur aus der Schönheit des reduzierten Raumes lebt, sondern auch aus der Begrenzung der Materialien und einfachen Details. Ich lebe gern in solchen Räumen, andere können es nicht. Für mich ist die einfache Klosterzelle oder die sparsame Eleganz der Shaker Möbel eine größere Herausforderung als prächtige Objekte und Ambiente. Viele Menschen jedoch nennen das, was ich schön finde und was mir gut tut, kalt und abweisend. Architektur als dritte Haut des Menschen ist mir im einfachen Gewand à la Jil Sander lieber als die verrückten Kreationen einer Vivienne Westwood.


4.

Das Haus, das ich schon immer bauen und haben wollte, gibt es in zahlreichen Beispielen. Eines der mir liebsten ist der Barcelona Pavillon von Mies van der Rohe, den er 1929 fertig stellte. Die Begegnung mit diesem Bau war für mich, die Archäologin, ein Schlüsselerlebnis. Die radikale Form dieses offenen Raumes verschlug mir den Atem, als  ich ihn das erste Mal sah. Hier war ein Haus, das sich durch geschickt
gestellte Scheiben aus dem großen Raum seinen eigenen Bau-Raum herausschnitt und dennoch Teil des umgebenden Raumes blieb. Ein einfacher, äußerst präziser Bau in einer geradezu abstrakten Komposition aus horizontalen und vertikalen Linien. Der Grundriss des Pavillons liest sich als räumliches Kontinuum und als integrierter Teil der Gesamtplanung. Edle Materialien, eine äußerst reduzierte Formgebung und eine geradezu suggestive Leere füllen den Raum. Robert Wilson schreibt dazu: „ Der Raum ist nie leer. Die Leere gibt es nicht…sie ist vielmehr unendliche Freiheit.“

Ich hatte dergleichen offenen Raum nie zuvor erlebt. Allerdings ist es mir bei aller Bewunderung nie gelungen, den Barcelona Pavillon in Gedanken für meine Wohnbedürfnisse so einzurichten und umzuplanen, dass ich dort alle meine Bücher und meine Bilder unterbringen konnte. Auch eine Küche und einen Gästeraum hätten mich wohl auf Konfrontationskurs mit dem Denkmalschutz gebracht. Nun muss man zugeben, dass der Barcelona-Pavillon nie zum Wohnen bestimmt war. Insofern ist es unfair, ihm funktionale Zweckmäßigkeit abzuverlangen.
Der Pavillon ist minimalistische Architektur par excellence. Er versammelt die Quintessenz des Denkens und Bauens von Mies van der Rohe in dessen Wahlspruch „Weniger ist mehr“. Gewiss ist dieser Satz einer der missverstandensten der Baugeschichte, aber ebenso ist Mies einer der größten Architekten überhaupt. An seiner Architektur aus Haut und Knochen gibt  es „nicht ein Detail, das überflüssig, nicht eines, das nebensächlich wäre“ , wie Manfred Sack schreibt.

Mies verstand seinen Wahlspruch als moralische Verpflichtung, so als habe der liebe Gott ihm höchstpersönlich empfohlen, so und nicht anders zu bauen. „Ich arbeite so hart, um herauszufinden, was ich tun muß und nicht, was ich tun möchte“. Mies ging es in seinen Bauten nicht um persönliche Vorlieben, sondern um eine allgemeine Wahrheit. Umso schlimmer für ihn und die elegante Einfachheit seiner Architektur, dass in seiner Nachfolge sein Leitspruch durch eine große Zahl von untalentierten Nachahmern zum Rezept eines billigen rationellen Bauens verkam und einfache Architektur weltweit in die Negativschlagzeilen brachte.


5.

Wer minimalistische Architektur liebt, ist meist auch ein Anhänger der Farbe Weiß im Bauen. Das hat mit der Abstraktheit der Farbe zu tun und damit, dass sie den idealen Hintergrund für ein sparsames Wohnen bildet, in dem jedes Detail und Material wie ein Bild wirkt. Man darf die Vorliebe für Weiß allerdings nicht zum Dogma machen, denn Weiß kommt auch häufig bleich oder gräulich daher oder erscheint oft hart und kalt. Dennoch sind die meisten Häuser, die ich schon immer bauen wollte, weiß, weiß im Sinne des amerikanischen Architekten Richard Meier, der einmal sagte:“ Für mich ist Weiß die Farbe, die das natürliche Licht am besten reflektiert… Die Weißheit von Weiß ist ja niemals nur weiß… Weiß wird durch das Licht permanent verändert…Weiß behält seine Absolutheit…Und vor einer weißen Oberfläche lässt sich das Spiel von Licht und Schatten, von Flächen und Einschnitten am besten verstehen…“

Ich liebe die weiße Architektur Richard Meiers. Bei der Arbeit an einem Buch über ihn lernte ich das Haus Smith in Connecticut und das Haus Douglas in Michigan kennen und war von beiden angetan. Beide gehören zu den aussergewöhnlichsten Häusern, die ich je gesehen habe. Beide sind lichthungrige Bauten, beide leben aus der Konfrontation mit der dramatischen Landschaft und öffnen sich zu der Umgebung und holen die Natur ins Innere. Hohe offene Galerien umgeben diese Zentren der Häuser und gestatten Ausblicke wie von hohen weissen Schiffen. Die beiden Wohnbauten sind transparente Gebilde, die aus der Durchdringung von Kuben, geschlossenen Wandscheiben und Rahmen leben. Zauberisch das virtuose Spiel des Lichtes im Inneren und auf der weißen Außenhaus dieser Häuser. Die komplexe Schönheit dieser fast schwerelosen Architektur verbindet kühle Eleganz mit poetischer Präsenz.

Richard Meiers Häuser sind reine Gefäße des Lichtes. Sie verändern sich ständig im, mit und durch das Licht. Die Jahreszeiten spielen in das Innere der Häuser hinein, das rötliche Licht der Herbstsonne malt die Räume warm aus, das kühle weiße Licht des Frühjahres erhöht ihre Weisheit.

Wo Licht ist, ist bekanntlich auch Schatten, der dunkle Bruder des Lichtes. Meier arbeitet mit messerscharfen Schatten, die er durch Arkaden, durch Rahmen und offene Kuben schickt, damit sie den Schattenfall als Linien, als Gitter, als Netze, als Umrisse auf Böden und Wände legen. Das Licht und die Schlagschatten bespielen die blendend weißen Häuser wie Leinwände und wandeln die konstruktiven Strukturen in bildhafte Muster um. Das Licht in Meiers Häusern ist nicht milde, sondern hart und direkt, es sickert oder fließt nicht von außen nach Innen, sondern stürzt überfallartig in die Räume. Ein atemberaubendes Schauspiel, das man nicht vergisst.


6.

„Der Architekt ist zuerst und zuletzt ein Poet, der Baustoffe verwendet wie der Maler Farben und der Musiker Töne“

Diese Worte des amerikanischen Architekten Louis Sullivan beschreiben eine Einschätzung, die für jeden Architekten gelten sollte. Aber nur auf wenige trifft sie zu. Einer derjenigen, für den das ohne Abstriche Gültigkeit besitzt, ist Luis Barragen, einer der besten weltweiten Baumeister und gleichzeitig einer der unbekanntesten. Das Haus, das ich schon immer bauen wollte, begegnete mir an dem Wochenende, an dem mir der mexikanische Architekt seine Bauten zeigte, mehrfach. Allerdings hatte ich bis dahin keine Ahnung, dass es solche Architektur überhaupt gab.

Wir lernten uns zufällig kennen, als ich Mitte der 1970er Jahren auf den Spuren alter und neuer Architektur mit einer Gruppe in Mexiko unterwegs war. Ich war der Gruppe müde, im Hotel zurückgeblieben und studierte bei einem Kaffee auf der Terrasse in mehreren Führern, was ich mir allein anschauen wollte. Dabei sprach mich ein älterer, distinguierter Herr vom Nebentisch an. In unserem Gespräch über moderne mexikanische Architektur fragte er mich, ob ich die Bauten von Barragan kennte. Ich hatte nie von ihm gehört, gab dies offen zu, und er bot an, mir einige  Bauten Barragans zu zeigen. Es war der Auftakt zu einem der aufregendsten Architekturerlebnisse meines Lebens. Erst am Spätnachmittag beim Tee begriff ich, dass Barragen selbst mich geführt hatte. Als er sich mir am Morgen vorgestellt hatte hielt ich ihn für irgendeinen Architekten und hatte seinen  Namen nicht verstanden.
Mexiko, soviel wusste ich zu Beginn unserer Rundfahrt, ist ein wildes Land. Gegensätze treffen hart aufeinander. Nuancen und Abstufungen jeder Art sind selten. Literatur, Musik, Kunst und Architektur spiegeln starke Emotionen, unergründliche Traurigkeit und überschwängliche Fröhlichkeit. Krieg und Frieden wohnen so nah beieinander wie eine unbarmherzige Sonne und dunkle Schatten. Die Häuser von Barragen reflektieren diese Eigenarten. Nie zuvor sind mir Bauten von so bestürzender Schönheit,  so fremdartigem Reiz und wilder Farbigkeit begegnet.

Barragan ist eher ein Landschaftsarchitekt als Hochbauarchitekt. Insofern sind seine Häuser, auch die kleinsten, vor allem aber die ländlichen Villenkomplexe, die er für Pferdeenthusiasten gebaut hat,  Landschaften, die abstrakten Bildern gleichen. Wer seine späten Gärten und Höfe betritt, fühlt sich wie an Fabelorten, wie in Regionen metaphysischer Träume, in denen alles möglich ist. In den surrealen Inszenierungen aus kubischen Häusern, Wänden, Toren, Wasser, Natur und Landschaft scheinen Ort und Zeit aufgehoben wie in den Bildern des Surrealisten Magritte. Die dreidimensionalen Massen seiner Bauten wirken wie abstrakte Flächen. Mauern sind Rahmen und Paravents, Durchblicke schaffen Tiefe, Raumfolgen in starken Proportionen erschliessen sich wie bei einem Bühnenbild, das zunehmend an Tiefe gewinnt, je länger man es betrachtet.

Was in Barragans Architektur einerseits asketisch und mönchisch- streng wirkt, ist andererseits reich in der Einfachheit der immer neuen Interaktionen aus Masse und Leere. Barragans Häuser sind abstrakte Kompositionen voller Stille und Strenge, kinetisch bewegt durch Himmel, Sonne, Farben und immer wieder Wasser, Wasser als Spiegel, als rauschender Wasserfall, als ruhiges Aquädukt, als ungestümer Bach, als stiller Tümpel, als Brunnen, dessen Geplätscher die brütende Mittagshitze unterbricht, Die Magie dieser gebauten, fremdartigen Landschaften, in denen das Pferd wie eine Gottheit lebt, ist beunruhigend.

Barragen schaffte Orte aus einem absoluten Schönheitssinn heraus. Nichts ist zufällig, alles ist komponiert. Dunkelschwarze Materialien kontrastieren zu hellen oder weißen Wänden. Rauhe Flächen gesellen sich zu polierten, gewachsener Fels steht neben geschliffenem Stein. Amorphe Formen liegen in flachen durchsichtigen Wasserbecken, deren glitzernde Oberfläche der Wind kräuselt. Und die Farben! Unter der harten Sonne Mexikos behaupten sich nur grelle Farben, die aber schnell ermüden und ausdörren. Barragans Farben, die alle scheinbar unversöhnlich scheinen, sind Rosa, Zitrone, Koralle, Ocker, Blau und Violett in den unterschiedlichsten Stadien des Verbleichens. Dadurch ergänzen sie sich aber bestens. Eine Farbleidenschaft in der Architektur, wie ich sie bis dahin nicht erlebt hatte.


7.

Es ist schwer, über Barragan zu schreiben und nicht zu übertreiben. Doch meine enthusiastischen Zeilen halten der Überprüfung stand. Deswegen zum Schluss ein Haus, das ich schon immer bauen wollte, das ich aber niemals bauen werde, weil es erstens schon viele Häuser dieser Art gibt und ich zweitens nie retroperspektivisch oder nostalgisch bauen würde. Es gibt diesen Bau, von dem ich jetzt spreche, in zahlreichen Ausführungen, fast immer in Holz, anmutig-einfach, höchstens ein wenig verziert. Diese Holzhäuser sind immer weiß, zweigeschossig, mit umlaufenden Balkonen. Man findet sie in Key West, Miami, in ländlichen Gegenden Amerikas, aber auch in Schweden und Dänemark. Sie sind um 1900 oder früher entstanden und stehen als Sommerhäuser meist am Strand aber selten in der Stadt. Ihre Architektur atmet Bescheidenheit. Ruhe, Idylle und Erholung. Diese Art der Architektur spielt häufig in amerikanischen Filmen mit, und immer wehen in ihren Fenstern lange weiße Vorhänge, die bis auf den Boden reichen, sacht im Wind.
Vermutlich sind diese schlichten Häuser einfacher zu bewohnen als Barragans noble, aber einsame Bauten.


8.

„Der Bau von Luftschlössern kostet nichts. Aber ihre Zerstörung ist sehr teuer“, so Francois Mauriac.