Ideologie in Stein

Die NS Kaderschmiede Vogelsang

Es gab drei Ordensburgen in der NS Zeit, in Vogelsang/Eifel, in Sonthofen und in Krössinsee/Pommern. Sie wurden zur Herrschaftsabsicherung des 3. Reiches gebaut und sollten gleichzeitig in ihrer Anlage und Form die Nazi-Ideologie in Stein abbilden.
Die Ordensburgen sind nicht zu verwechseln mit Napola Lehranstalten, Eliteschulen, wo die zukünftige Führungsschicht der Nazis erzogen und bis zum Abitur geführt wurde. Ordensburgen dagegen waren Ausbildungsstätten für Erwachsene, die der NS Weltanschauung blind ergeben waren und auf allen Ebenen z. B. der Verwaltung die Inhalte der NS-Weltanschauung durchsetzen sollten. Wer verheiratet war, einen Beruf erlernt hatte, erste Qualitäten in den Hitler Jugendorganisationen bewiesen hatte, wer sportlich und gesund und natürlich von „deutschem Blut“ war, war für die Ordensburgen das ideale Mitglied.

Der ursprüngliche Bauplatz für Vogelsang – die Rheininsel Nonnenwerth bei Bonn – wurde zugunsten eines Standortes in der Eifel fallen gelassen. Hier war es einsamer, man war unbeobachteter, und die Ordensburg lag in Sichtweise der belgischen Grenze und sollte als gebaute Propaganda gegenüber dem Nachbarn wirken. Ähnliches galt  auch für die beiden anderen Ordensburgen, die auch als nationalsozialistische „Leuchtturmprojekte“ bezeichnet wurden.

Der Kölner Architekt Clemens Klotz plante und baute sowohl Vogelsang als auch Krössinsee. Er war mit dem wenig bekannten, aber mächtigen Robert Ley befreundet, dem Herrn der „Deutschen Arbeitsfront“, die mehr als 20 Millionen Mitglieder zählte. Klotz erhielt seine Bauaufträge direkt von Ley, ohne öffentliche Ausschreibung. Sein größtes Bauprojekt war Prora, ein KDF (Kraft durch Freude)Seebad für 20.000 Menschen auf der Ostseeinsel  Rügen, ursprünglich als Bau von 4,5 km Länge geplant, von denen heute noch 2,5 km erhalten sind.

Ley, der eigentliche Erfinder der Ordensburgen, wusste zwar, welche Ideale er dort realisieren wollte, hatte aber für ihren Bau keinerlei Konzepte.Das führte zu ständig neuen Veränderungen der Baupläne, doch Klotz gelang ihre Einarbeitung in seine grundsätzliche Idee. Allerdings sind einige der Brüche bis heute sichtbar.

Vogelsangs Grundsteinlegung war im September 1934. Dazu äußerte Ley: “Wir bauen ein Fundament, das ewig sein wird. Für dieses Werk hier sollen Männer erzogen werden, keine Theologen, aber Führer und Prediger und Schwärmer für das deutsche Volk, die von dem Glauben an Deutschland besessen sind… So wird hier der neue Adel Deutschlands gezüchtet.“  Gauleiter Josef Grohé bezeichnete die Ordensburg als „Bollwerk deutschen Wesens“.

Die geometrische Anlage Vogelsangs entwickelte sich über eine breite Treppe einen steilen Abhang hinauf, der von einer überdimensionalen „Halle des Wissens“.gekrönt werden sollte, einer Art monumentaler Kathedrale, die allerdings nie fertig wurde.Die tragenden Elemente der unterschiedlichen Bauten waren Ziegelstein und eine Stahlbetonskelett-bauweise. Zur Verblendung der Außenmauern wählte Klotz Grauwacke,  Schiefer für die Dächer und viel sichtbares Holz – eine überzeugende Suggestion von Heimat- und Landschaftsverbundenheit, wie sie an zahlreichen offiziellen Bauten des Naziregimes realisiert wurden.

Im 1. Bauabschnitt entstanden Alltagsbauten: Unterkünfte, Sportanlagen, Speisesäle, Hörsäle nach einem räumlich funktional einleuchtenden Konzept. Zu behaupten, dass damit noch  keine nationalsozialistische Grundidee realisiert wurde, wäre gelogen. Aber erst mit dem zweiten und dritten Bauabschnitt wurde die Architektursprache wirklich monumental. Baugeschichtler sehen hier einen wachsenden Einfluss von Albert Speer. In Zukunft sollte es um die Schaffung von großartiger Denkmalarchitektur gehen, die sich mit anderen Nazibauten in Deutschland wie z.B.in Nürnberg durchaus vergleichen ließ. Die geplante Halle des Wissens sollte die Mitte der Anlage wie ein antiker Tempel überragen, umgeben von Wandelhallen, Terrassenanlagen, Treppen, Rampen, Plätzen und Bastionen.1939 kamen auf Grund der Kriegsvorbereitung die Bauarbeiten zum Stillstand.
Zu diesem Zeitpunkt war der offizielle Betrieb in Vogelsang  nur provisorisch angelaufen. 1936 wurde der erste Lehrgang mit 1000 Interessenten zusammengestellt, 1937 der zweite. Beide Gruppen beendigten die vorgesehene vierjährige Ausbildung nicht, sondern wurden in die Kriegsvorbereitungen hinein gezogen.

Ley hatte gesagt, wie er sich die Ausbildung dachte: „ Wir verlangen nicht, daß sie Akademiker sind…, sondern wir verlagen, dass sie einen Beruf können …Schreiner, Bauer, Maurer oder Fleischer.“ Ley suchte  „Kerle“, die „stramme Nazis“ waren, natürlich von arischer Abstammung. „Nieten“ sollten nicht geduldet werden. Wer in Vogelsang versagte, würde nirgendwo anders im deutschen Reich eine weitere Chance erhalten.
Die Berufenen stammten vorwiegend aus dem unteren Mittelstand. Nicht überlegene Intelligenz wurde von ihnen erwartet, sondern ideologische Verlässlichkeit und ein praxisnaher Pragmatismus. Entgegen den Hoffnungen der Vogelsang Absolventen standen ihnen keineswegs hohe Parteikarrieren offen, sondern nur der Weg in die untere und mittlere Ebene der Parteiapparate. Zur wirklichen Elite des 3. Reiches hatten die meisten keinen Zugang.

Die Lehrgänge an den Ordensburgen waren mit vier Jahren angesetzt, doch in Vogelsang haben kriegsbedingt nur zwei Lehrgänge stattgefunden, beide knapp zwei Jahre lang. Dann wurden viele der Teilnehmer zum Kriegsdienst eingezogen.

Der normale Tageslauf in der Ordensburg war minutiös durch kalkuliert, vergleichbar dem Klosterleben, von dem die Ordensburgen ihren Namen hatten. Privatleben fand nicht statt, alles geschah in der Gruppe. Neben dem normalen Unterricht stand der Sport an erster Stelle. Exklusive Sportarten wie Reiten und Fechten standen auch auf dem Stundenplan, um das Selbstbewusstsein der Auszubildenden zu stärken. Für einen ausgesuchten Kreis gab es auch Flugstunden. Vogelsang hatte zu diesem Zweck einen eigenen Flugplatz, der natürlich auch dem gelegentlichen Empfang des Führers und hoher Nazioffiziellen diente.

In der ideologischen Schulung stand die Rassenkunde an vorderer Stelle. Ley beschrieb es so: “Die Rasse muss eine Grundlage der Schulung sein. Gleich welches Thema. Rasse und Raum: Immer und immer wieder. Jeden Tag“.

Mit Beginn des Krieges endete die Ausbildung in Vogelsang. Die Burgmannschaften erfuhren, „dass alle Angehörigen der Ordensburgen sich unverzüglich ins Lager zu begeben haben“.
1939 waren die wichtigsten  Bauten in Vogelsang fertig, und die Ordensburg war nach Nürnberg das zweitgrößte Ensemble der Nazis. Von diesem Zeitpunkt an war die Ordensburg aber ohne ihre vorgesehene Funktion.

Hitler kam jedoch häufiger zu Besuch, und andere Nazigrößen stiegen hier für kurze Zeit auf ihren Reisen durch Deutschland ab. So rentierten sich endlich die mit den Jahren immer pompöser und repräsentativer gewordenen Bauten mit ihren hohlen Symbolen, Plastiken und Kulträumen.

Die Nachkriegsgeschichte schildert am besten das 2014 erschienene Buch von Franz Albert Heinen, eine ausführliche und sorgfältig recherchierte Publikation: Ordensburg Vogelsang – Die Geschichte der NS-Kaderschmiede in der Eifel (Ch. Links Verlag). Heute ist die renovierte Ordensburg ein gut besuchtes Zentrum, in dem man sich über die Nazibauten und das Nazireich informieren kann.