Das Buch ist eine Entdeckung. Zwar ist es schon 2010 im Bachem Verlag erschienen und heute nur noch im Antiquariat zu erwerben.
Aber so gründlich ist es recherchiert, so hervorragend lesbar, dass es ein Muss für alle ist, die sich für die Architekturgeschichte Kölns interessieren.
Niemand hätte wohl vermutet, wie viele jüdische Architekten es in Köln in den letzten ca. 100 Jahren gegeben hat und wie sehr ihre Bauten die Stadt geprägt haben. Diese reichen von der Hohenzollernbrücke bis zu der erhaltenen Synagoge in der Roonstraße. Diese Entwicklung fand mit den Verfolgungen des 3.Reiches und den Zerstörungen des 2. Weltkrieges ein Ende.
Die Detektivarbeit, die das Buch bedeutet, lässt sich heute kaum weiter fortsetzen, weil es einerseits in Köln nur noch wenige historische Vorkriegsarchitektur gibt und andererseits keine Einwohnermeldekartei mehr existiert. Die bisherigen Bücher über jüdische Architekten in Deutschland und vor alle in Köln sind zudem mehr als lückenhaft.
Der erste Kölner Rabbiner der Nachkriegszeit, Zvi Asaria, schrieb 1959 sein Standardwerk über die Juden in Köln und nennt darin nur zwei ihm bekannte Kölner Architekten. Auch Christine von Kohl erwähnt 1963 in ihrem Katalog Monuments Judaica nur einen jüdischen Baumeister. Klemens Klemmer kennt in seinem 1998 erschienenen Buch „Jüdische Baumeister in Deutschland“ vier jüdische Architekten, macht aber dafür die bekannten Architekten Bruno Paul und Martin Elsässer zu Juden, obwohl sie keine waren. Erst Myra Wahrhaftig legt mit ihrem 2005 gedruckten Lexikon „Deutsche jüdische Architekten vor und nach 1933“ 500 sorgfältig recherchierte Biografien vor.
Angesichts dieser Quellenlage überraschen die von Wolfram Hagspiel akribisch ermittelten und untersuchten 44 Architekten in Köln mit ihren gründlichen Lebensgeschichten und ihren minutiös aufgelisteten und fotografierten Bauten schon.
Ob es auch in anderen Städten so zahlreiche jüdische Architekten gab, läßt sich kaum noch feststellen. Vielleicht liegt die große Zahl der Biografien der Neuzeit an dem schon seit römischer Zeit besonderen Verhältnis der Stadt Köln zu den Juden. Das jüdische Viertel nahe des Doms gilt als die älteste Gemeinde nördlich der Alpen. 321 n. C. wird in einem Dekret Konstantins den Juden die Berufung in die Curia erlaubt; sie konnten damit so etwas wie ein Mitglied des frühen Stadtrates werden. Das Besondere des Kölner Judenviertels war zudem, seine zentrale Lage unmittelbar am heutigen Rathaus und damit neben dem Prätorium des militärischen und zivilen römischen Statthalters. Kölnische, nicht jüdische Ratsherren mussten das Judenviertel jedes mal durchqueren, um an Sitzungen des Stadtrates teilzunehmen – eine einmalige Situation.
Die 44 jüdischen Architekten in Köln arbeiteten seit Anfang des 20. Jahrhunderts sowohl für jüdische als auch nichtjüdische Bauherren.
Besonders seit den Reformbewegungen in Kunst und Architektur um 1900 gibt es viele jüdische Bauherren, die Interesse am großstädtischen Umbau der Kölner Altstadt nehmen – mit privaten Häusern und Geschäftsbauten. Zunächst waren es vorwiegend nicht jüdische Architekten und solche der neuen Avantgarde, für die eine jüdische Klientele sich begeisterte. Aber gleichzeitig wächst die Zahl der jüdischen Baumeister, die mit ihren Werken im staatlichen, öffentlichen und privaten Bereich hervortreten und dafür breite Anerkennung finden.
1931 liest man anlässlich der Deutschen Bauausstellung in Berlin in der C.V. Zeitung (3.7.1931): „Wer näher hinsieht, wird vielleicht zu seiner eigenen Überraschung erkennen, dass in diesem abgelaufenen Jahrhundert jüdische Kräfte eine erheblichen und bedeutsamen Anteil an der Entwicklung der europäischen, namentlich der deutschen Architektur genommen haben.“
1933 ist diese Entwicklung am Ende. Jüdische Architekten müssen ihre Büros schließen, sie werden aus den Standesvertretungen ausgeschlossen und erhalten keine Aufträge mehr. Wenigen gelingt die Flucht nach Israel oder in andere Länder. Viele sterben in Konzentrationslagern.