Johannes Dinnebier stammt aus der Tschechoslowakei. Mit 17 Jahren wurde er als Soldat eingezogen, 1945 floh er über die Elbe nach Kassel, wo er wieder auf seine Familie stiess. Die Nachkriegszeit sah ihn als Kellner, Skilehrer und Schuhmacher. 1952 baute er sein erstes Geschäft in Düsseldorf, wo er Lampen aus übrig gebliebenem Rüstungsmaterial fertigte und erste Beleuchtungskonzepte entwickelte.
Solche Bandbreite und seine Fähigkeit zur Improvisation zeichneten ihn zeitlebens aus, ebenso Neugierde und eine überbordende Phantasie. Dinnebier war ein Tüftler und Selfmademan und ein bis ins hohe Alter ständig in Bewegung befindlicher Handwerker, einfallsreich und kreativ. Hinzu traten Eigenschaften wie Ehrlichkeit, Humor und Charme, gepaart mit Offenheit und Großzügigkeit. Alles in allem stellte er mit seinem gutem Aussehen und vorzüglichen Geschmack eine unwiderstehliche Mischung dar. Es war einfach, von ihm fasziniert zu sein und ihn zu mögen.
Dinnebier betrieb seine Firma in Düsseldorf und Wuppertal seit 1962. Seither hat er an die 2.000 Kirchen, Opernhäuser, Theater, Schulen, Flughäfen (Moskau, Istanbul, Düsseldorf, Hannover) Banken, Verwaltungsbauten und Hotels beleuchtet. Die schier unübersehbare Fülle seiner Aufgaben und Lösungen reichte vom Licht bei Weltausstellungen in Brüssel, Montreal und Osaka über die Beleuchtung des diplomatischen Quartiers in Riad und des dortigen Justizpalastes, über Messebauten in Khartum und Philadelphia bis zu einer japanischen Privatuniversität, die er ins rechte Licht gesetzt hat. Sein Betätigungsfeld war neben Deutschland die ganze Welt.
Die meisten Lichtlösungen ersannen Johannes Dinnebier und seine zeitweise über 50 Mitarbeiter persönlich und in eigenen Werkstätten. Das galt ganz besonders für Lichtplastiken und Stelen. Eine der faszinierendsten ist eine Licht-Wassersäule (1990), die vor der Firma Raab Kracher in Essen steht. Die Wirkung im Zusammenspiel von Wasser, Beleuchtung, Transparenz und Bewegung ist hier hohe Kunst.
Selten war Johannes Dinnebier mit dem Raum zufrieden, den ihm ein Architekt zur Beleuchtung anbot. „Das Licht ist immer ein fester Bestandteil der Architektur und kann immer nur in früher und unmittelbarer Zusammenarbeit mit dem Architekten zu einem optimalen Ergebnis gebracht werden“. Solche Zusammenarbeit war aber eher die Ausnahme als die Regel. Für Dinnebier konnte die Kooperation mit dem Architekten nicht früh genug beginnen. Er musste sämtliche Faktoren eines Baus und seiner Umgebung begreifen, um eine für ihn befriedigende Beleuchtungslösung zu finden.
Dinnebier war der erste wirkliche Lichtplaner Deutschlands. Seine Hoffnung, daß Lichtplanung in der Zukunft ein eigenständiger Beruf werde, hat sich in den letzten Jahrzehnten erfüllt. „Selbst die guten Architekten bedienen sich inzwischen eines Fachmannes für Licht schon im Wettbewerb“. Johannes Dinnebier sieht den Lichtplaner in einer langen Tradition.„Licht für Höhlen und Zelte zu bauen, geschieht schon so lange, wie Menschen bauen. So wie Architektur ohne Licht nicht denkbar ist, gibt es ohne Architektur keine Lichtplanung. Am Anfang ging es darum, Öffnungen zu schaffen, durch die das Tageslicht einfallen konnte, ohne gleichzeitig Wind und Wetter hereinzulassen.Unzählige Beispiele in aller Welt zeigen, wie meisterhaft schon früher Tageslicht über Umlenkung geführt wurde. In der Türkei, in Göreme, ist mir aufgefallen, daß hinter oder unter den Lichtöffnungen in Höhlenwohnungen Wasserflächen von geringer Tiefe geschaffen wurden, die das Tageslicht in die Tiefe der Höhlen reflektierten“.
Es gibt heute so viele Lichtquellen, daß selbst der Schildbürgerstreich, nämlich Licht in Säcken in die fensterlosen Räume eines Rathauses in Schilda zu bringen, nicht chancenlos wäre. „Heute ist das in übersetzter Form durch Photovoltaik möglich“, meinte Dinnebier dazu.
Einfallsreichtum war häufig das herausragendste Element im Oeuvre Dinnebiers. So bekam er 1983 die Möglichkeit in Riad, einen alten Traum zu realisieren. Er erbaute ein Lichtklimazelt in der Wüste, das nicht nur Schatten spendete, sondern auch Kühle erzeugte. Das Zelt
entfaltet sich und entsteht auf Knopfdruck. Automatisch wird beim Hochfahren der Konstruktion ein Kontakt mit einem Wassersystem geschlossen. Die Zeltbahnen aus Baumwolle und Polyester können sich mit Wasser vollsaugen. Durch die grosse Wärme der Umgebung setzt sofort eine Verdunstung des Wassers ein, die Kühlung erzeugt. Auf diese Weise können Temperaturunterschiede von 14 Prozent zwischen innen und außen entstehen.
Es ging Johannes Dinnebier bei seinen Lösungen selten um spektakuläre Einfälle. Eine Ausnahme ist sicher die Lichtkugel in der
King Faisal Moschee in Islamabad (1987). Wo normalerweise riesige Leuchter oder Lüster das Innere erleuchten, realisierte er mit einem Durchmesser von 12,5 m eine konsequent moderne Kugel voller Glühlampen. Meist geht es Dinnebier bei einer Lichtlösung vielmehr um den Mehrwert guter Beleuchtung. Beim Flughafen Hannover erfolgte die gesamte Beleuchtung über das Reklamelicht und über Hinweisdisplays. Sie kostete also nichts.
Dinnebier hatte wie viele kreative Menschen Vorlieben und Schrullen.
So sammelte er u.a. Wassertürme. Er kaufte einen in Berlin, in Kiel und in Grefrath. Da dessen Fassungsvermögen nicht mehr ausreichte, war er 1983 stillgelegt worden und sollte abgerissen werden, was aber verhindert wurde.1993 kaufte Dinnebier den Wasserturm und präsentierte gleichzeitig seine Finanzierung, die geplante Restaurierung und eine neue Nutzung. Der Umbau machte aus dem alten Turm ein lichtdurchströmtes, faszinierendes Labor, wo Experimente mit Tages- und Kunstlicht stattfanden. Die mittige Öffnung sorgte dafür, dass das einfallende Licht durch Folien, Spiegel, Prismen und Hologramme gelenkt bis ins Erdgeschoß und jeden Winkel des Gebäudes durchdrang. Dinnebier arbeitete hier jahrelang und nannte es einmal „eine sehr glückliche Zeit“.
Seine Kinder haben in der Mitteilung seines Todes einen schönen und auf ihn passenden Spruch von Hilde Domin zitiert: „Ich setzte den Fuß in die Luft, und sie trug“. Möge ihm genau das geschehen sein.
Ingeborg Flagge