Die zweigeteilte Überschrift umfaßt nur jeweils drei Wörter, ein einziges Wort "aber" ist unterschiedlich. Dennoch ist der Sinn der jeweiligen Formulierung ein völlig anderer. Klein und fein ist eine positive Bezeichnung und meint einen nicht grossen Bau von herausragender Qualität. Klein, aber fein konstruiert einen Gegensatz. Etwas ist klein und aus diesem Grunde unbedeutend und belanglos. Doch die Verwendung des Wortes "aber" rettet die Güte des kleinen Gebäudes bzw. der kleinen Bauaufgabe. Das Haus ist zwar klein, aber dennoch ist es fein und beeindruckend.
Sicher ist es manchmal für die genaue Definition eines Wortes oder einer Formulierung lehrreich, sein Gegenteil zu bedenken. Von "klein" und "fein" könnte ein Gegensatz neben anderen "groß und hässlich" sein. Doch das wäre barer Unsinn, denn die Grösse eines Baus - ob groß oder klein - sagt zunächst ja nichts über seine Qualität aus.
Zugegeben: man betrachtet einen erlesenen kleinen Bau liebevoller als einen grossen, vielleicht weil er einen stärker anrührt oder an ein Schmuckstück erinnert, vielleicht weil man zu ihm schneller eine persönliche Bezeigung aufbaut als zu einem grossen, vielleicht auch weil ein kleiner Bau übersichtlicher ist. Kleine Bauten lassen sich ohne Zweifel besser und schneller erfassen als grosse, auch ihre besonderen Vorzüge sind leichter zu beschreiben.
Als Laie geht man davon aus, dass ein kleiner Bau die volle Sorgfalt des Architekten hat, dass aber bei einem grossen Gebäude notgedrungen Kompromisse, Vereinfachungen oder Vergröberungen stattfinden (müssen).Alle Architekten jedoch, die ich in vielen Interviews hierzu befragt habe, lehnten meine Vermutung als Unterstellung ab. Klein oder gross ändere an der möglichen Perfektion ihres/ eines Baus nichts.
Ich kann und mag das nicht so recht glauben; denn meine Beobachtungen scheinen mir das Gegenteil zu bestätigen. Aber ich kann meine Überlegungen auch nur an einzelnen Beispielen belegen, die Zufall sein mögen. Eine allgemeine Theorie habe ich dazu nicht.
Die frühen Bauten Tadao Andos in Japan waren überschaubare christliche Kirchen von grosser Einfachheit und Schönheit; sein winziges Steinskulpturenmuseum in Bad Münster am Stein ist ein exquisites Kleinod. Die ersten kleinen Häuser von Herzog & de Meuron beeindruckten durch ihre kreative Vielfalt und eine überraschende Sinnlichkeit. Von Peter Zumthor gibt es eine ganze Reihe kleiner, feiner Bauten, von der Kapelle Song Benedetg über den Schweizer Pavillon auf der Expo 2ooo in Hannover bis zu der winzigen und faszinierenden Bruder Klaus Kapelle in der Eifel, die trotz ihrer etwas groben Ausführung durch Laien eine einzigartige Lösung darstellt, klein und nicht fein im üblichen Sinne, vielmehr überraschend und virtuos.
Die Bruder Klaus Kapelle macht auch etwas überdeutlich, das an größeren Bauten oft nur schwer abzulesen ist: die enge Zusammenarbeit von Bauherr und Architekt, ein Vertrauen in die gegenseitigen Fähigkeiten und Überzeugungen und die schiere Zeit, die der eine gewährt und der andere braucht, um eine solche gestalterische Lösung zu finden. Im Falle der Kapelle kommt natürlich hinzu, dass die Bauaufgabe den Bauherrn wie den Architekten besonders forderte.
Schreiben und Reden über Architektur sind etwas anderes als zu entwerfen und zu realisieren. Insofern dürften auch die Meinungen zum Thema "klein und fein" zwischen Lesern und Machern weit auseinander gehen. Ich behaupte, dass ein kleines, feines Haus sorgfältiger durchkomponiert ist als ein grosses; dass die Abgestimmtheit bzw. die Harmonie von Form, Farbe, Materialien und Details bei einem kleinen Bau meist überzeugender ist als bei einem grossen - oder es zumindest danach aussieht.
Grössere Bauten fordern Architekten auch weit häufiger zu gestalterischen Verstiegenheiten und Verrücktheiten heraus, wie z.B. Victor Endrich dies bei seinen Hochhäusern inszeniert, die wie Trompeten oder torkelnde Flaschen aussehen. Dergleichen Blödsinn, der häufig den Möglichkeiten des Computers geschuldet ist und nicht der Handarbeit, kommt bei kleinen Bauaufgaben weniger vor; eine solche Willkür würde sie lwohl ächerlich wirken lassen. Vielleicht macht ja die Tatsache, dass kleine, feine Bauten meistl eher leise als laut und aufdringlich sind, ihren Charme aus. Florian Fischer meint dazu:" Aber vielleicht ist es die Präzision im Kleinen…, die ein nüchterner, aber trotzdem leidenschaftlicher Pragmatismus prägt".
Nüchtern und leidenschaftlich pragmatisch kann man den englischen Architekten John Pawson nennen, einen überzeugten und rigorosen Minimalisten.Seine Architektur folgt " dem Wesen der Natur", die alles " auf geordnete, kürzeste und am besten mögliche Weise gestaltet".
Sein Prinzip der Einfachheit, das auch das Design der Shaker und des Zen Buddhismus prägt, führt zu einer maximalen Fülle an Klarheit und Reinheit. Pawsons wenige Bauten sind durchaus nicht alle klein, allerdings hat er auch keine sehr grossen Häuser ausgeführt. Grössere minimalistische Bauten sind wohl auch deshalb eher selten und die Ausnahme, weil sie schnell eintönig wirken können. Denn was im minimalistischen Kleinen kostbar erscheint, ist im Grossen nicht selten langweilig.
So wie Kunst sich manchmal besser durch das definiert, was man weg läßt, als durch das, was man hinzu fügt, so ist auch Architektur nicht selten durch konsequentes Fortlassen eindrucks- und qualitätvoller.
Das wußte bekanntlich schon Mies van der Rohe mit seinem "Weniger ist mehr".
Das Weglassen als Disziplin ist nicht zuletzt das Wesen des japanischen Wabi Sabi. Das Ziel von Wabi Sabi könnte man mit "edle Einfachheit als höchste Tugend" definieren. Diese ästhetische Philosophie, der auch John Pawson anhängt, betrifft Handwerk, Design, Architektur und viele andere Gebiete. Wabi Sabi meint dabei Einfachheit, Bescheidenheit, Zurückhaltung und Natürlichkeit und ist eher den kleinen Dingen eigen als den grossen.
Kleine, feine Projekte ziehen nicht selten besonders dann die Blicke auf sich, wenn sie von ganz Grossen, sprich aus grossen Büros oder von sog.Stars kommen.Grosse Büros mit vielen Angestellten aber können sich kleine, feine Projekte kaum leisten; man muß zuviel Arbeit in sie hinein stecken, die sich nicht rechnet. Deshalb sind die Verfasser solcher Bauten auch eher kleine Büros oder Berufsanhänger. Spricht man aber die Eigentümer grosser Büros auf kleine, feine Projekte an, dann tritt nicht selten ein Leuchten in ihre Augen und sie geben zu, dass sie eigentlich von solchen Aufgaben träumen und mehr davon haben möchten. Aber...